18.10.2011 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15

Studie

Billigjobs machen krank

Fast jeder fünfte Deutsche, der heute in Rente geht, hat sein Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beenden müssen. Knapp 20 Prozent der Neuruheständler beziehen eine Erwerbsminderungsrente, nachdem in einem strengen Verfahren festgestellt wurde, daß sie zu krank sind, um regulär weiterzuarbeiten. Meist tritt eine teilweise oder vollständige Erwerbsminderung bei Beschäftigten jenseits der 50 auf.

Das Alter ist jedoch keineswegs der einzige Faktor, macht eine neue Studie von Christine Hagen, Ralf K. Himmelreicher, Daniel Kemptner und Thomas Lampert deutlich, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Böckler Impuls vorgestellt wird. Die vier Wissenschaftler, die am Deutschen Zentrum für Altersfragen, am Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung, am Robert-Koch-Institut beziehungsweise am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung arbeiten, haben erstmals auf umfassender empirischer Grundlage untersucht, welche Gruppen abhängig Beschäftigter besonders häufig von Erwerbsminderung betroffen sind. Dazu werteten sie die anonymisierten Daten von gut 127000 Menschen aus, die 2008 als Neuzugänge in der Erwerbsminderungsrente registriert wurden und verglichen sie mit denen der übrigen Versicherten.

Kernergebnis der Datenanalyse: Sowohl die Qualifikation als auch Geschlecht und Wohnort beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, aus Gesundheitsgründen nicht bis zum regulären Rentenalter arbeiten zu können. Haupt- oder Realschulabschluß, keine Berufsausbildung, männlich, wohnhaft in Ostdeutschland: Beschäftigte mit diesem Profil tragen das höchste Risiko, arbeitsunfähig zu werden. Es liegt gut zehnmal so hoch wie bei männlichen Akademikern, die in den alten Bundesländern leben.

Unter Frauen und Männern mit (Fach-)Hochschulabschluß gehen auch mit Ende 50 nur rund fünf von 1000 Versicherten in die Erwerbsminderungsrente. Dagegen sind es bei niedrig qualifizierten Männern fast 25, bei niedrig qualifizierten Frauen 19. Beschäftigte mit mittlerer Qualifikation, das heißt mit abgeschlossener Berufsausbildung, liegen dazwischen. Hier verzeichnet die Statistik bei Männern rund 15 Zugänge, bei Frauen 13.

Insgesamt sind Erwerbsminderungen unter Männern deutlich weiter verbreitet als unter Frauen. Allerdings müssen Frauen häufiger als Männer wegen einer psychischen Erkrankung ihre Berufstätigkeit aufgeben.

(jW)

www.boeckler.de
https://www.jungewelt.de/artikel/172284.studie.html