14.07.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Es droht ein »technical default«
Droht dem US-amerikanischen Staat der Bankrott, und ist seine Lage
mit der von Griechenland zu vergleichen? Nein, denn die Regierung
in Athen bekommt kein Geld mehr von den Kapitalmärkten, es sei
denn kurzfristig und zu absoluten Wucherzinsen. Die
Obama-Administration dagegen ist auf den internationalen
Finanzmärkten immer noch kreditwürdig, nur hat ihr das
von der Opposition beherrschte Repräsentantenhaus verboten,
die im parlamentarischen Verfahren durchgesetzte Schuldengrenze von
14,29 Billionen US-Dollar zu überschreiten. Anfang August
wäre sie erreicht. Wird die Grenze bis dahin nicht angehoben,
droht eine Zahlungsunfähigkeit.
In einem Fall wie in den USA spricht man von einem »technical
default«, einem technischen Zahlungsausfall. Es ist nicht das
erste Mal, daß die US-Opposition mit der Drohung eines
»technical defaults« versucht hat, ihre Gegner in
Regierungsverantwortung zu erpressen und politisch in ihre Richtung
zu lenken. Aber beide US-Parteien waren immer gleichermaßen
besorgt, die unabsehbaren juristischen Folgewirkungen eines solchen
technischen Ausfalls zu vermeiden. Aber diesmal könnte es
anders sein.
Die sogenannte Tea-Party-Bewegung, deren gewählte Vertreter
sich innerhalb der Republikanischen Partei als schlagkräftige
Truppe gegen politischen Filz, Steuererhöhungen und
Sozialausgaben profilieren wollen, spielt mit hohem Einsatz. Mit
ihren Maximalforderungen nach Haushaltskürzungen insbesondere
bei Sozialausgaben sperrt sie sich gegen die
Kompromißvorschläge, welche die
»verantwortungsbewußten« Republikaner und
Demokraten ausgehandelt haben. Die Tea Party will alles oder
nichts, und aus ihrem Lager kommen Parolen wie »lieber
Zahlungsunfähigkeit als höhere Schulden«.
Damit wird der ganze politische Prozeß unberechenbar. Die
Entwicklung könnte für den US-amerikanischen und globale
Finanzmärkte tatsächlich hoch gefährlich werden. So
wären zum Beispiel Banken im Falle einer
Zahlungsunfähigkeit der USA gesetzlich gehalten, ihre
Bestände an US-Schatzbriefen abzuschreiben. Das würde
immense Kapitalerhöhungen für die Institute erfordern und
für viele wohl den Bankrott bedeuten.
(rwr)
https://www.jungewelt.de/artikel/166998.hintergrund-es-droht-ein-technical-default.html