16.06.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Kommentar: Polizeistaatliches Vorgehen
Die regelmäßig von Politikern aller Couleur beschworene
Zivilcourage ist in Sachsen zur Farce verkommen. All diejenigen
Nazigegner, die sich am 19. Februar auf der Straße
niederließen, um zu verhindern, daß Dresden seinem
braunen Ruf einmal mehr gerecht wird, werden nun seitens Polizei,
Justiz und politischer Entscheidungsträger in Verruf gebracht
und aufgrund der Ermittlungen nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch
bezichtigt, einer »kriminellen Vereinigung«
anzugehören.
Dem aber nicht genug. Noch vor dem Tag des rechten Aufmarsches
selbst eröffneten sächsische Politiker ein Trommelfeuer
an totalitarismustheoretischem »Rot gleich
Braun«-Gequatsche, welches seit Bestehen der Bundesrepublik
zur Staatsdoktrin gehört. Sie wollten so die gesellschaftliche
Stimmung beeinflußen und verhindern, daß die massiven
Einsätze von Pfefferspray, Schlagstöcken,
Räumpanzern, Wasserwerfern, scharfgemachten Hunden und
eigentlich nur aus Kriegsgebieten bekannten
Überwachungsdrohnen gegen Antifaschisten auf wahrnehmbare
öffentliche Kritik stoßen würden.
Mit einem für einen Rechtsstaat unwürdigen bunten
Strauß an polizeistaatlichen Methoden wird nunmehr zum
großen Schlag gegen die politische Linke ausgeholt.
Während die Neonaziszene ob der gegen ihre letzten
glaubwürdigen Gegner gerichteten Repression frohlocken kann,
gilt es nun, den antifaschistischen Aktivisten breitmögliche
Solidarität zu erweisen.
Dabei sollte nicht vergessen werden, daß die, die nach der
Annexion der DDR das politische Ruder in die Hand genommen haben,
Teil des Problems und keineswegs der Lösung sind. Das
schließlich macht das in Sachsen herrschende politische
Establishment durch sein repressives Vorgehen aktuell mehr als
deutlich. Etablierte Politik, Justiz und Polizei eint einmal mehr
der Wille, den braunen Schlägerbanden zukünftig mit allen
Mitteln und Wegen die Straße freizuhalten und sie vor Protest
zu schützen. (bern)
https://www.jungewelt.de/artikel/165521.kommentar-polizeistaatliches-vorgehen.html