15.06.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Furcht vor NATO-Angriffen auf Kirchen
Der Apostolische Vikar in Tripolis, Bischof Giovanni Martinelli,
fürchtet NATO-Angriffe auf Kircheneinrichtungen in Libyen.
Entschieden wies er in der vergangenen Woche Falschberichte
über den angeblichen Aufenthaltsort Ghaddafis zurück.
»Ich dementiere, was eine italienische Zeitung am Mittwoch
geschrieben hat, nämlich: Ghaddafi sei in einer Kirche
versteckt – das sei ein Verdacht diplomatischer Kreise in
Italien und Rußland. Ghaddafi halte sich in einem Raum unter
einer katholischen Kirche in Tripolis auf. Dem widerspreche ich in
aller Entschiedenheit«, sagte Martinelli laut Radio Vatikan.
»Als Franziskaner wäre ich sehr zufrieden, wenn ich ihm
in einer Kirche Aufnahme gewähren könnte, aber er ist
absolut nie gekommen, er hat uns nie um Gastfreundschaft gebeten,
und diese Hypothese ist auch gefährlich und schädlich
für uns.«
Bischof Martinelli hat sich von Anfang an gegen die
NATO-Angriffe ausgesprochen. Er sieht das wie der italienische
Bischof Giovanni Giudici, der die italienische Sparte der
katholischen Friedensbewegung Pax Christi leitet: »Was die
Ineffizienz eines Krieges betrifft, was die Tatsache betrifft,
daß ein Krieg große Probleme schafft und Wunden
schlägt, die so schnell nicht verheilen, kann man den
Libyen-Einsatz durchaus mit dem Irak-Krieg vergleichen. Hier sieht
man, daß nicht nur Menschen sterben, sondern auch auf lange
Sicht Ungleichgewichte entstehen, daß das Zusammenleben der
Menschen schwierig wird, daß die Entwicklung eines Landes
blockiert wird.«
Die libysche Regierung hat den Besuch von Bundesaußenminister
Guido Westerwelle (FDP) in der Rebellenhochburg Bengasi scharf
kritisiert. Westerwelles »unverantwortlicher« Besuch
sei eine »unverhohlene Verletzung der nationalen
Souveränität, eine Einmischung in die inneren
Angelegenheiten eines souveränen Landes und Mitgliedes der
Vereinten Nationen und gegen internationale Normen und
Vereinbarungen«, erklärte das Außenministerium in
Tripolis am Dienstag. Der Besuch nütze den Bemühungen
internationaler und regionaler Organisationen um eine friedliche
Beilegung des Konflikts zwischen Regierung und Rebellen in Libyen
nicht. Westerwelle hatte, begleitet von Parteifreund und
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, am Montag in Bengasi den
selbsternannten Übergangsrat der Rebellen als »legitime
Vertretung des libyschen Volkes« bezeichnet und ein deutsches
Verbindungsbüro offiziell eröffnet.
Revolutionsführer Muammar Al-Ghaddafi sprach das deutschr
Regierungsduo »jede Legitimation« ab. Dem
»Übergangsrat« sollen 31 Mitglieder
angehören, nur 13 sind namentlich benannt.
(rg)
https://www.jungewelt.de/artikel/165458.furcht-vor-nato-angriffen-auf-kirchen.html