14.06.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Joaquín Pérez Becerra
Ende April wurde der schwedische Journalist kolumbianischer
Abstammung bei seiner Einreise nach Venezuela in Maiquetia, dem
internationalen Flughafen der Hauptstadt Caracas, verhaftet und in
kürzester Zeit nach Bogotá abgeschoben. Dort wurde er
von den kolumbianischen Behörden verhaftet. Zuvor hatte der
kolumbianische Staatschef Juan Manuel Santos seinen venezolanischen
Amtskollegen Hugo Chávez angerufen und diesem mitgeteilt,
daß sich ein Mitglied der kolumbianischen
Guerillaorganisation FARC auf dem Weg nach Venezuela befinde und um
dessen Auslieferung gebeten. Bogotá wirft Pérez
Becerra vor, Europavertreter der Guerilla gewesen zu sein und diese
finanziert zu haben. Dieser bestreitet alle Vorwürfe und sieht
in dem Vorgehen Bogotás den Versuch, die von ihm betriebene
Internetseite ANNCOL zu beseitigen.
In Venezuela hat das Verhalten der eigenen Regierung für
Empörung gesorgt. Zahlreiche Basisorganisationen, alternative
Medien und die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) protestierten
sowohl gegen die Auslieferung, durch die sie die venezolanischen
Gesetze verletzt sehen, als auch gegen die Informationspolitik der
staatlichen Medien, die nur die offiziellen Erklärungen der
Regierung wiedergaben, nicht jedoch über die Kritik an deren
Vorgehen berichteten.
Mitte Mai entschied in Bogotá der Oberste Gerichtshof
Kolumbiens, daß die angeblich auf den Computern von
Raúl Reyes gefundenen Dokumente als Beweismittel
unzulässig sind. Dabei geht es um die Laptops, die das
kolumbianische Militär eigenen Angaben zufolge bei dem am 1.
März 2008 ermordeten FARC-Comandante gefunden haben soll. Die
Authentizität dieser Dateien wurde seither von zahlreichen
internationalen Organisationen und Einrichtungen in Frage gestellt.
Nach der Entscheidung des Obersten Gerichts mußte
Bogotá bereits den seit 2009 inhaftierten
Universitätsprofessor Miguel Ángel Beltrán
freilassen. Diesem hatten die Behörden unter Berufung auf
Dateien aus den Reyes-Computern vorgeworfen, in Mexiko Mitglieder
für die Guerilla geworben zu haben.
Anfang Juni wurde in Venezuela Julián Conrado (Foto)
festgenommen, der als »Sänger der FARC« bekannt
ist. Dessen Mitgliedschaft in der Guerilla wird nicht bestritten,
und die venezolanischen Behörden haben das Verfahren zu seiner
Auslieferung an Bogotá eingeleitet. Die Verteidiger des
Guerillero haben jedoch öffentlich beklagt, daß ihnen
der Zugang zu ihrem Mandanten verweigert wird.
(scha)
https://www.jungewelt.de/artikel/165396.hintergrund-joaquín-pérez-becerra.html