Der Aachener Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke)
veröffentlichte am Donnerstag unter dem Titel »Zum
sogenannten Antisemitismusbeschluß der Linksfraktion«
folgende Erklärung:
Der Beschluß der Fraktion ist auf höchst undemokratische
Weise zustandegekommen. Obwohl mindestens die Hälfte der
anwesenden Mitglieder des Bundestages in der Diskussion Kritik am
Verfahren geäußert hatte, wurde eine Drohkulisse
aufgebaut, die die Einheit der Partei in Frage stellte. Der
Beschluß zielt m. E. nicht auf eine Klärung in der
Antisemitismusfrage oder der Nahostpolitik, sondern auf die
Unterwerfung der Linken, insbesondere ihres linken Flügels,
unter die Attacken der Kriegsparteien. (...)
Es geht m. E. in dieser Debatte gar nicht um die Auseinandersetzung
mit dem Antisemitismus einerseits oder der Nahostpolitik
andererseits. Es geht eher darum zu signalisieren, daß die
Linksfraktion bereit und fähig ist, die eigenen Reihen so zu
disziplinieren, daß sie als Koalitionspartner in Frage kommt,
und um entsprechende Geländegewinne des
Kräfteverhältnisses innerhalb der Linksfraktion. Mich
erinnert das auch an die Unterwerfungsanforderungen, wie sie in den
Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen gestellt wurden.
Dazu bin ich nicht bereit, ich lasse mich überzeugen, aber
nicht erpressen.
Mindestens die Hälfte der Fraktion hat das Verfahren in der
über dreistündigen Debatte kritisiert, dennoch wurde eine
Drohkulisse aufgebaut, die das Scheitern des linken Projekts
ankündigte, wenn der Beschluß nicht gefällt wird.
Dies hat dazu geführt, daß ein Teil am Ende zugestimmt
hat, ein Teil hat den Saal verlassen oder nicht abgestimmt. Ich
habe mit einer persönlichen Erklärung ebenfalls den Saal
verlassen. Mir ging es damit darum, mich unter diesen Bedingungen
nicht inhaltlich in der Frage festzulegen, sondern das gesamte
Verfahren in Frage zu stellen.
Ich möchte in offener und demokratischer Atmosphäre
über Sinn und Unsinn der Gaza-Flottille, der BDS (Boykott,
Desinvestment, Sanktionen)-Kampagne oder der
Ein/Zwei-Staatenlösung diskutieren und entscheiden
können. Eine Entsolidarisierung mit meinen europäischen
Genoss/innen, die sich daran beteiligen, ist mit mir nicht
machbar.
Ermutigend fand ich die Breite der Kritik am Vorgehen, die weit
über das zu erwartende Spektrum hinausging. Das gibt mir Mut,
daß eine plurale, demokratische Linke, in der offen ohne
Maulkörbe diskutiert werden kann, weiterhin möglich ist.
Diejenigen, die das nicht wollen, haben am Dienstag einen
Pyrrhussieg errungen. (...)
Vollständiger Text im Internet:
www.andrej-hunko.de