07.06.2011 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15

Lesetips

Gewerkschaften und Atomkraft

Markus Mohr wirft im aktuellen Express einen Blick zurück auf den Umgang der Gewerkschaften mit der Frage der Atomkraft. In der Schilderung wird klar, daß die Organisationsspitzen in den vergangenen Jahrzehnten eine fatale Rolle dabei gespielt haben, diese lebensgefährliche Technologie in Deutschland zu etablieren und zu erhalten. Erster negativer Höhepunkt dessen war 1977 eine Kundgebung von 40000 in Firmenwagen ins Dortmunder Westfalenstadion gekarrten Beschäftigten, bei der die Vorsitzenden von IG Metall, ÖTV, IG BSE, IG Bergbau und Energie sowie der IG Chemie sprachen.

Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl beschloß der DGB-Bundeskongreß im Mai 1986 mit großer Mehrheit eine Kehrtwende: »So rasch wie möglich« sollte aus der Atomkraft ausgestiegen werden. Doch nur die IG Metall hielt sich an den Beschluß. Für die ÖTV sowie die später zur IG BCE fusionierten Gewerkschaften IG Bergbau und IG Chemie war die Entscheidung bald darauf Makulatur. Insbesondere IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt wandte sich vehement gegen einen »unumkehrbaren Ausstieg« aus der Kernkraft. Parallel zu den sogenannten Energiekonsensgesprächen zwischen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und den Atomkonzernen beteiligten sich im März 1999 rund 35000 Beschäftigte der Branche an einer Pro-Atom-Demo in Bonn.

Und 2005, anläßlich der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD, veröffentlichte ver.di-Chef Frank Bsirske zusammen mit Schmoldt und den vier großen Atomkonzernen eine Stellungnahme, in der sie u.a. forderten, sich bei der Energieversorgung »alle Optionen« offen zu halten. Aufgrund heftiger Proteste mußte sich Bsirske von dem Papier wieder distanzieren. Schmoldt hingegen erklärte noch im Juli 2008, es sei an der Zeit, »in der SPD, aber auch innerhalb des DGB die immer noch stark verbreitete Betonmentalität beim Thema Kernkraft aufzubrechen«. (jW)

Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Nr. 10-5/2011, 20 Seiten, 3,50 Euro. www.labournet.de/express

Krise in Europa


Die von der Hans-Böckler-Stiftung herausgegebenen WSI-Mitteilungen beschäftigen sich in ihrer Juni-Ausgabe mit der europäischen Wirtschaftskrise. Ökonomen verschiedener Länder versuchen darin, »der häufig extrem verengten deutschen Sichtweise auf die Krise Europas« alternative Analysen entgegenzusetzen. (jW)

WSI-Mitteilungen 6/2011. Jahresabo: 88,20 Euro, für Studierende 49,80 Euro. www.wsi-mitteilungen.de
https://www.jungewelt.de/artikel/165021.lesetips.html