Gewerkschaften und Atomkraft
Markus Mohr wirft im aktuellen Express einen Blick zurück auf
den Umgang der Gewerkschaften mit der Frage der Atomkraft. In der
Schilderung wird klar, daß die Organisationsspitzen in den
vergangenen Jahrzehnten eine fatale Rolle dabei gespielt haben,
diese lebensgefährliche Technologie in Deutschland zu
etablieren und zu erhalten. Erster negativer Höhepunkt dessen
war 1977 eine Kundgebung von 40000 in Firmenwagen ins Dortmunder
Westfalenstadion gekarrten Beschäftigten, bei der die
Vorsitzenden von IG Metall, ÖTV, IG BSE, IG Bergbau und
Energie sowie der IG Chemie sprachen.
Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl
beschloß der DGB-Bundeskongreß im Mai 1986 mit
großer Mehrheit eine Kehrtwende: »So rasch wie
möglich« sollte aus der Atomkraft ausgestiegen werden.
Doch nur die IG Metall hielt sich an den Beschluß. Für
die ÖTV sowie die später zur IG BCE fusionierten
Gewerkschaften IG Bergbau und IG Chemie war die Entscheidung bald
darauf Makulatur. Insbesondere IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt wandte
sich vehement gegen einen »unumkehrbaren Ausstieg« aus
der Kernkraft. Parallel zu den sogenannten
Energiekonsensgesprächen zwischen Kanzler Gerhard
Schröder (SPD) und den Atomkonzernen beteiligten sich im
März 1999 rund 35000 Beschäftigte der Branche an einer
Pro-Atom-Demo in Bonn.
Und 2005, anläßlich der Koalitionsverhandlungen von
Union und SPD, veröffentlichte ver.di-Chef Frank Bsirske
zusammen mit Schmoldt und den vier großen Atomkonzernen eine
Stellungnahme, in der sie u.a. forderten, sich bei der
Energieversorgung »alle Optionen« offen zu halten.
Aufgrund heftiger Proteste mußte sich Bsirske von dem Papier
wieder distanzieren. Schmoldt hingegen erklärte noch im Juli
2008, es sei an der Zeit, »in der SPD, aber auch innerhalb
des DGB die immer noch stark verbreitete Betonmentalität beim
Thema Kernkraft aufzubrechen«. (jW)
Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit, Nr. 10-5/2011, 20 Seiten, 3,50 Euro. www.labournet.de/express
Krise in Europa
Die von der Hans-Böckler-Stiftung herausgegebenen
WSI-Mitteilungen beschäftigen sich in ihrer Juni-Ausgabe mit
der europäischen Wirtschaftskrise. Ökonomen verschiedener
Länder versuchen darin, »der häufig extrem
verengten deutschen Sichtweise auf die Krise Europas«
alternative Analysen entgegenzusetzen. (jW)
WSI-Mitteilungen 6/2011. Jahresabo: 88,20 Euro, für
Studierende 49,80 Euro. www.wsi-mitteilungen.de