06.06.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
»Verhängnisvollste Fehlentscheidung«
SPD und Grüne hielten sich ihre Zustimmung zum geplanten
Ausstieg aus der Atomkraft am Wochenende zwar offen,
begrüßten den Stufenplan aber grundsätzlich.
Heftige Kritik kam von der Antiatombewegung aber auch von einzelnen
CDU- und FDP-Politikern.
Das Bundeskabinett berät am heutigen Montag über den
Ausstiegsplan, wonach die alten Meiler nicht wieder angefahren und
die neueren zwischen 2015 und 2022 abgeschaltet werden sollen. Die
Stufenlösung soll den Ausstieg unumkehrbar machen. Zudem liegt
dem Kabinett ein Gesetzespaket etwa zur Regelung von Planungsfragen
vor. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte dem Spiegel: »Wir werden
keinem Gesetz zustimmen, das die Industrieproduktion in Deutschland
und damit sichere Arbeitsplätze gefährdet«. Er
forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Gesprächen mit der
Opposition, den Umweltverbänden, der Industrie und den
Gewerkschaften auf, wenn sie einen »wirklich breiten
Konsens« wolle. Der Parlamentarische
Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas
Oppermann, erklärte, der neue Zeitplan für den
Atomausstieg sei »ein großer Erfolg für die SPD
und die Antiatombewegung«. Er »sehe die Chance für
einen Energiekonsens«.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast befand im
dapd-Interview: »Es geht in die richtige Richtung.« Der
Atomausstieg befinde sich »jetzt auf einem guten Weg«.
Zudem sei bei den Fördersätzen die Benachteiligung der
Windkraft an Land gegenüber den Offshoreanlagen beseitigt
worden. Sehr genau wolle man sich die Endlagersuche ansehen.
Einen Volksentscheid über die Verankerung des Atomausstiegs im
Grundgesetz forderte der Chef der Linkspartei, Klaus Ernst.
Die Antiatombewegung sieht im Fahrplan der Koalition eine
»gewaltige Schieflage nach hinten«. Der Sprecher der
Organisation »ausgestrahlt«, Jochen Stay, wies in einer
Presseerklärung darauf hin, daß sechs von neun AKW mehr
als zehn Jahre weiterlaufen sollen.
Bundeskanzlerin Merkel rief die Bürger auf, der Energiewende
offen gegenüberzustehen. Sie erklärte vor allem den
Ausbau des Stromnetzes für notwendig und versprach,
erneuerbare Energien sollten möglichst bald preisdeckend
werden. Strikte Ablehnung kam unter anderem vom CDU-Abgeordneten
Arnold Vaatz im Focus: »Der schnelle Atomausstieg ist eine
der verhängnisvollsten Fehlentscheidungen, die es in der
bundesdeutschen Politik seit 1949 gegeben hat«. (dapd/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/165002.verhängnisvollste-fehlentscheidung.html