Unter dem auch im Deutschen zur stehenden Wendung gewordenen
»Less is more« veröffentlichte eine
US-amerikanische Ärztevereinigung eine Aufstellung im besten
Fall unnützer Diagnose- und Therapieverfahren, die zu
häufig angewandt würden. Auf die am Dienstag vergangener
Woche in den »Archives of Internal Medicine«
online publizierte Liste machte die Süddeutsche Zeitung (SZ)
vom 24.Mai aufmerksam. Die National Physicians Alliance für
Allgemein-, Innere Medizin und Kinderheilkunde will so die
Versorgung verbessern und unnötige Belastungen oder sogar
Risiken für Patienten vermeiden. Die SZ lieferte eine kurze
Zusammenfassung – viele der Punkte darin scheinen sogar
medizinischen Laien selbstverständlich, sind es aber offenbar
nicht.
Hier zunächst die Forderungen der US-Ärzteorganisation,
die die jüngsten Kranken betreffen: »Wenn Kinder auf den
Kopf fallen und nicht bewußtlos sind, ist meist keine
Bildgebung notwendig.« Eingeschränkt wird dies für
die Fälle, wenn Kinder benommen sind, wenn sie sehr klein sind
(jünger als zwei Jahre), wenn sie äußerlich
verletzt sind, wenn sie aus mehr als einem Meter Höhe
gestürzt sind oder es andere Hinweise auf größere
Verletzungen oder kognitive Einschränkungen gibt. Die
Gründe für den Appell zu weniger überflüssiger
Diagnostik: Frühzeitiger Kontakt mit Röntgenstrahlen
steigert demnach das Krebsrisiko übermäßig.
»Von 1400 Kindern, bei denen ein Schädel-CT angefertigt
wurde, bekommt später eines einen Tumor«, hieß es
in der Übersetzung der SZ. Außerdem seien, wenn trotz
der angerissenen Voraussetzungen Röntgen-, Kernspin- oder
CT-Aufnahmen angefertigt würden, »selten Folgen des
Sturzes zu entdecken – und wenn, müsen sie zumeist nicht
behandelt werden«.
Außerdem wird in dem Beitrag auch wieder darauf hingewiesen:
Es existieren keine wissenschaftlichen Belege dafür, daß
die frei verkäuflichen Mittel gegen Husten oder Schnupfen
helfen und deren Dauer verkürzen. Dennoch haben sie
Nebenwirkungen, in der Vergangenheit, wenn auch selten, sogar
tödliche. Nachlesen kann man hierzu zum Beispiel im
»Handbuch Medikamente« der Stiftung Warentest oder in
»Bittere Pillen. Nutzen und Risiken der Arzneimittel«,
teilweise auch kostenlos im Internet unter
www.bittere-pillen.de.
Schließlich appellieren die US-amerikanischen Ärzte,
Kinder bei chronischer Mittelohrentzündung nicht
grundsätzlich ins Krankenhaus zu schicken. Nur bei
neurologischen Auffälligkeiten, zusätzlichen Sprach- und
Lernproblemen oder befürchteten Trommelfellverformungen
sollten Kliniker mit konsultiert werden.
Von den Punkten zum ärztlichen Umgang mit erwachsenen
Patienten seien an dieser Stelle nur zwei erwähnt: »Bei
banalen Atemwegsinfekten sollte auf Antibiotika verzichtet
werden.« Denn die meisten werden von Viren hervorgerugen,
gegen die diese Medikamente machtlos sind, genauso ist die
Situation bei Halsentzündungen von Kindern. Nur beim Nachweis
von Streptokokken bei letzteren sind diese Medikamente demzufolge
angezeigt. Angesichts eines häufigen Zuviel von Antibiotika
leiden Patienten unter deren Nebenwirkungen, gibt es immer mehr
resistente Erreger und wird die Umwelt belastet. Der zweite Hinweis
zu Erwachsenen: »Bei Rückenschmerzen ist kein
Röntgenbild, Kernspin oder CT innerhalb der ersten sechs
Wochen nötig.« Außer, es treten
Lähmungserscheinungen auf oder die Patienten leiden unter
schweren Grunderkrankungen wie Osteomyelitis
(Knochenmarkentzündungen). (jW)