25.05.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Panikmache vor dem Blackout
Gegenwärtig sind nur vier der 17 deutschen AKW am Stromnetz.
Die Atomlobby warnt deshalb vor einem Blackout. U- und S-Bahnen
fahren nicht mehr, die Telekommunikation bricht zusammen, die
Klimaanlagen kollabieren, haben wir das nicht gerade im Osten
Berlins erlebt? Das Chaos in der Hauptstadt war zwar mutwillig
angerichtet, es taugt aber gut zur Panikmache. Insbesondere im
kommenden Winterhalbjahr, orakeln die vier großen
Netzbetreiber (zwei dieser Firmen sind Töchter der
Atomkonzerne), könne die Stromversorgung bundesweit
zusammenbrechen. Gerade in der kalten Jahreszeit gebe es zu wenig
Sonnenstrom und kaum Importmöglichkeiten, weil die anderen
Länder ja ebenfalls knapp dran sind mit Energie.
»Hmhm«, macht die Bundesregierung in Person der
Sprecherin des Umweltministeriums, »das ist keine leichte
Situation«. Die Regierung nehme die Warnungen sehr ernst, so
Christiane Schwarte. Die Versorgungssicherheit sei »oberstes
Gebot bei der Energiewende«. Die Internationale
Energieagentur IEA, ein ausgewiesener Atomlobbyverband, gibt sich
ebenfalls beunruhigt. Im Interesse Europas solle Deutschland eine
gemeinschaftliche Entscheidung zur Energiepolitik in der EU
anstreben, sagt IEA-Chef Nobuo Tanaka.
Dagegen befürchten die Atomkraftgegner, daß die
Stromkonzerne einen Blackout bewußt inszenieren könnten,
um die Bevölkerung in der Debatte um den Atomausstieg zu
verunsichern. »Die Stromversorgung in Deutschland kann auch
sichergestellt werden, wenn die meisten oder gar alle
Atomkraftwerke abgeschaltet sind«, sagt
»Ausgestrahlt«-Sprecher Jochen Stay. »Es braucht
dazu allerdings die Bereitschaft der Stromkonzerne, dies auch zu
organisieren.«
Importbeschränkungen für Strom gibt es zu keiner
Jahreszeit. So muß Frankreich mit seinen 58 Atomkraftwerken
an vielen Tagen im Sommer Strom aus Nachbarländern importieren
– beispielsweise Solarstrom aus Deutschland – weil die
Reaktoren wegen geringer Pegelstände in den Flüssen nicht
mehr voll gekühlt werden können und deshalb teilweise
heruntergefahren werden müssen. (rp)
https://www.jungewelt.de/artikel/164434.hintergrund-panikmache-vor-dem-blackout.html