12.05.2011 / Feuilleton / Seite 13
Mutti Passata
Wiglaf Droste
Zum Ergänzen einer Tomatensauce kaufte ich eine Flasche
passierte Tomaten aus Italien. Der Hersteller heißt Mutti,
das Produkt entsprechend Mutti Passata. Das gefiel mir nicht
schlecht, ich nahm Mutti Passata als längst passierte Mutti
gern mit nach Hause an meinen Herd. Auf dem Weg dahin begegneten
mir auf der Straße Mutti, Mutti, Mutti und Mutti; dabei wohne
ich gar nicht im Prenzlauer Berg, aber das Paradies der
Spätgebärenden weitet sich aus. Mutti marschiert.
Mutti gibt es in diversen Varianten und Modellen: Mutti in
Brotschuhen, Mutti mit Rucksack, Mutti in Mutti-Zweierreihe, Mutti
in Schlabber. Nur die lila Latzhosen aus den siebziger Jahren
fehlen noch. Aber warte nur balde, Metal Guru …
Mutti hat einen daimlerbreiten Kinderwagen, den es bald auch als
Kombi geben wird. Mutti hat immer Vorfahrt, denn Mutti ist Mutti
und Mutti hat recht. Mutti stellt Mutti aus, mit Garderobe und
Habitus und alternativer Lebensweise. Mutti findet das gut und
richtig. Und auch wichtig. Mutti wählt grün, die Partei
von Mutti Erde. Mutti ist eine Demeter-Saftflasche. Vatti gibt es
auch, Vatti ist radiopassiv geworden.
https://www.jungewelt.de/artikel/163815.mutti-passata.html