11.05.2011 / Feuilleton / Seite 13
Jubel der Woche: Steineckert, Berger, Kurz
Jegor Jublimov
Nichts ist von Dauer, so sieh das doch ein …« Wenn
Gisela Steineckert nur »Als ich fortging« für Dirk
Michaelis von Karussell geschrieben hätte, wäre sie schon
ein bißchen unsterblich. Sie hat vielen anderen Interpreten
Texte geschrieben, einige der schönsten für Jürgen
Walter, und verfertigt immer noch täglich Zeilen
unverwechselbarer Poesie des Alltags. Am Freitag wird sie 80 Jahre
alt.
Der ehemaligen Präsidentin des Komitees für
Unterhaltungskunst der DDR wurde von Leuten, die die
Verhältnisse nicht kannten, gern übergroße
Staatsnähe vorgeworfen. Eine Nähe gab es da gewiß.
Die brauchte man auch, wenn man im Komitee für die Kollegen
etwas bewirken wollte. Und das hat sie oft geschafft, das wird
leicht vergessen.
Vergessen ist heute auch schon fast, daß Steineckert eine
Affinität zum Film hatte. In den 60er Jahren war sie einige
Zeit »Kino-Eule«, und sie hat an Filmszenarien
mitgearbeitet. Von Herrmann Zschoches heiterem »Leben zu
zweit« (der eine Wiederentdeckung wert wäre) heißt
es gar, er fuße deutlich auf ihren Erlebnissen.
Die andere Jubilarin des Freitags war zu dieser Zeit noch
Hollywood-Star. Dort schmiß Senta Berger, die unglaubliche 70
wird, bald alles hin. Ihr war das Leben dort zu oberflächlich.
Nach einer Phase in italienischen Unterhaltungsfilmen (wer liebte
sie nicht in »Unser Boß ist eine Dame«!) nahm sie
immer öfter Rollen in anspruchsvollen Filmen von Volker
Schlöndorff, Wim Wenders und ihrem Mann Michael Verhoeven an,
dem sie auch als Produzentin zur Seite stand und steht. Gemeinsam
machten sie in den vergangenen 20 Jahren viele Spiel- und
Dokumentarfilme zur Nazizeit aus aktueller Sicht.
Das war auch immer ein wichtiges Anliegen für den Regisseur
und Autor Rudi Kurz, der am Montag bei bester Gesundheit seinen 90.
feiern konnte. Sein Name bleibt verbunden mit den spannenden
antifaschistischen Serien »Archiv des Todes« und
»Front ohne Gnade«. Er hat erfolgreiche Fernsehfilme
über die Antifaschisten Hans Beimler, Artur Becker und Ernst
Schneller gedreht (für letzteren den großen Sergej
Bondartschuk vor die DEFA-Kameras geholt). Für Rudi Kurz, der
1938 viele Kilometer mit dem Fahrrad zum Nürburgring fuhr, um
ein Rennen mit seinem Idol Manfred von Brauchitsch zu sehen, war es
eine besondere Erfüllung, daß er Brauchitschs Leben in
einem Fünfteiler zeigen konnte, der ein
»Straßenfeger« wurde. Man sollte seine
Erinnerungen »Das grüne und andere Ungeheuer« zur
Hand nehmen und sich freuen, daß er bis heute ein wacher
Beobachter seiner Umwelt mit spöttisch-kritischem Blick
geblieben ist.
https://www.jungewelt.de/artikel/163732.jubel-der-woche-steineckert-berger-kurz.html