09.04.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Friendly Fire: Rebellen räumen Adschdabija
In Libyen haben sich die Aufständischen nach anhaltendem
Widerstand der Regierungstruppen und der versehentlichen
Bombardierung ihrer eigenen Kämpfer durch NATO-Kampfflugzeuge
am Freitag aus der Stadt Adschdabija zurückgezogen. Das
staatliche Fernsehen meldete, Regierungstruppen seien in die rund
150 Kilometer von der Rebellenhochburg Bengasi entfernte Stadt
eingerückt, was von Einwohnern jedoch zunächst nicht
bestätigt wurde.
Der stellvertretende Kommandeur des NATO-Einsatzes in Libyen,
Konteradmiral Russell Harding, räumte am Freitag den erneuten
Angriff seiner Kampfflugzeuge auf die Aufständischen ein. Dem
Bündnis hätten keine Informationen vorgelegen, daß
die Regimegegner über Panzer verfügten, hieß es.
»Es scheint, zwei unserer gestrigen Angriffe könnten zu
den Todesfällen geführt haben«, sagte Harding im
NATO-Operationszentrum in Neapel zu Journalisten. Eine
Entschuldigung verweigerte er jedoch. Die Lage zwischen Brega und
Adschdabija sei unübersichtlich, weil beide Seiten immer
wieder Geländegewinne erzielten und sich
zurückzögen. Daher sei es schwierig für die Piloten,
zwischen den Regierungstruppen von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi
und dessen Gegnern zu unterscheiden.
In der NATO breitet sich Informationen der Nachrichtenagentur dapd
zufolge inzwischen Unmut darüber aus, daß die
Aufständischen die Kampfflugzeuge der Allianz als ihre
Stellvertreterluftwaffe betrachteten. »Wir versuchen, ihnen
klarzumachen, was wir machen und was wir erreichen wollen«,
sagte der Gewährsmann.
Die Vereinten Nationen wollen ab Sonntag die Menschenrechtslage in
Libyen überprüfen. Der Leiter des UN-Ermittlungsteams,
Scherif Bassiouni, kündigte in Genf an, man werde sich im
ganzen Land umsehen und niemanden von den Ermittlungen
ausschließen. Sein Team, dem auch eine
jordanisch-palästinensische Rechtsexpertin und ein kanadischer
Anwalt angehören, werde am Wochenende nach Libyen aufbrechen
und »allen Menschenrechtsverletzungen« nachgehen. Der
Menschenrechtsrat hat Bassiouni aufgetragen, bis zum 17.Juni einen
Bericht vorzulegen. Der ägyptische Strafrechtler gilt als
Experte auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts und war auch
an der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den
Haag beteiligt. Die libysche Regierung hat ihre Kooperation
zugesagt.
Rund 30 Organisationen rufen unterdessen für den heutigen
Samstag in der spanischen Hauptstadt Madrid zu einer Demonstration
gegen den imperialistischen Krieg in Libyen und die Beteiligung der
Regierung Zapatero daran auf. Erwartet werden mehr als 10000
Teilnehmer.
(dapd/dpa/PL/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/162173.friendly-fire-rebellen-räumen-adschdabija.html