21.03.2011 / Feuilleton / Seite 12
Knuts Tod
Colin Goldner
Darf man angesichts der unfaßbaren Tragödie, die sich
derzeit in Japan abspielt, oder angesichts der wechselseitigen
Bombardierung der libyschen Zivilbevölkerung durch Ghaddafi
und UNO etwas zu einem Eisbären sagen, dessen trauriges Dasein
in einem Berliner Zoo ein unerwartet schnelles Ende gefunden hat?
Die kleinen Tragödien können angesichts der großen
nicht unbeachtet bleiben.
Knut, der Eisbär, der durch gnadenlose Vermarktung zu einem
Goldesel für den Berliner Zoo geworden war, ist am Samstag
gestorben. Er wurde nur vier Jahre alt, kein Alter für einen
Eisbären. Auch bei seinem Tod – er ertrank, offenbar
nach einem Herzinfarkt, in seinem Wasserbecken – wurde er von
Hunderten von Zoobesuchern begafft, so wie er jeden Tag seines
armseligen Lebens begafft worden war. Ob Fehler in der Haltung zu
Knuts Tod führten, muß geklärt werden: Vielleicht
war der Streß mit den drei sehr viel älteren
Eisbärinnen, mit denen er zur Belustigung des zahlenden
Publikums zusammengesperrt war, zu viel für sein Herz;
vermutlich hatte er durch die Handaufzucht schwere
Verhaltensstörungen und wußte mit anderen Eisbären
nicht umzugehen. Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz jedenfalls,
bekannt für seine cholerische Beratungsresistenz,
verfügte die Gruppenhaltung. Knuts Leben, eingesperrt auf
einer lächerlich kleinen Betonscholle samt einem
lächerlich kleinen Drecks- und Pißbecken, hatte mit
einem würdigen Eisbärenleben nichts zu tun. Eisbären
haben in Zoos nichts verloren. Andere Tiere auch nicht. Zoos
gehören abgeschafft.
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