16.03.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Gefährdete Atomreaktoren
Seit dem Ausfall von Stromversorgung und Kühlsystemen in Folge
des verheerenden Erdbebens und Tsunamis am Freitag kämpft
Japan gegen einen drohenden Super-GAU. Für drei Kernkraftwerke
mit Siedewasserreaktoren nordöstlich von Tokio wurde der
atomare Notstand ausgerufen. Betroffen sind inzwischen zehn
Reaktorblöcke:
Fukushima I (Daiichi):
– Block 1: Um eine komplette Kernschmelze abzuwenden, wurde
zur Druckentlastung im Reaktorbehälter Dampf abgelassen. Das
führte am Samstag zu einer Wasserstoffexplosion, die die
Gebäudehülle weitgehend zerstörte. Der
Reaktorbehälter soll intakt geblieben sein. Weil
herkömmliche Kühlmethoden versagten, werden große
Mengen Meerwasser eingeleitet. Erhöhte Strahlungswerte
außerhalb der Anlage
– Block 2: Kühlung ausgefallen. Die Brennstäbe
lagen mindestens zweimal völlig frei. Die Einleitung von
Meerwasser scheiterte an einem verklemmten Ventil, so daß
versucht wurde, den Reaktorbehälter von oben mit kaltem Wasser
zu besprühen. Am Dienstag ereignete sich eine Explosion. Es
wird angenommen, daß ein Teil des Reaktorkerns geschmolzen
ist.
– Block 3: Wasserstoffexplosion am Montag. Vermutlich wurde
Strahlung freigesetzt. Kühlung mit Meerwasser. Auch hier
teilweise Kernschmelze.
– Block 4: War zur Zeit der Naturkatastrophe wegen
Wartungsarbeiten abgeschaltet. Am Dienstag brach im Abklingbecken
für verbrauchte Brennelemente ein Brand aus, der gelöscht
werden konnte. Radioaktivität gelangt direkt in die
Atmosphäre. Die Wände des Gebäudes sind
beschädigt, möglicherweise kocht das Wasser im
Becken.
Fukushima II (Daini): Blöcke 1, 2 und 4: Stromversorgung von
außen blieb erhalten, doch versagten Anlagenteile und der
Druck in den Reaktorbehältern stieg an. Probleme mit der
Nachwärmeabfuhr.
Onagawa: Blöcke 1, 2 und 3: Erhöhte Strahlungswerte
gemessen, die aber wieder fielen. Die japanischen Behörden
vermuten daher, daß sie auf die Freisetzungen in Daiichi
zurückgehen.
(dapd/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/160867.hintergrund-gefährdete-atomreaktoren.html