09.03.2011 / Inland / Seite 5
»Christliche« Gewerkschaften gelb
Mainz. Die Artos-Unternehmensgruppe mit Sitz in Dortmund hat den
Christlichen Gewerkschaften jahrelang Leiharbeiter als Mitglieder
zugeführt – häufig ohne Wissen der Betroffenen. Dem
ZDF-Magazin »Frontal 21« liegt laut Vorabmeldung vom
Dienstag eine Mitgliederliste der Christlichen Gewerkschaften mit
rund 1500 Leiharbeitern aus dem Ruhrgebiet vor. Bei einer
Stichprobe stellten »Frontal-21«-Reporter fest: Von 100
Befragten wußten nur vier von ihrer Mitgliedschaft. Die
Artos-Gruppe ist an mehreren Zeitarbeitsfirmen beteiligt und hat
2004 einen Haustarifvertrag mit den Christlichen Gewerkschaften
abgeschlossen, der Dumpingstundenlöhne von 4,81 Euro
ermöglichte. Außerdem wurde den Leiharbeitern monatlich
ein Gewerkschaftsbeitrag vom Lohn abgezogen. Auch das war den
meisten Befragten nicht bekannt. Das bedeute, daß die
Gewerkschaft »gegnerfinanziert« und damit nicht
tariffähig sei, so Professor Peter Schüren,
Arbeitsrechtler an der Uni Münster.
Nach Aussage mehrerer ehemaliger Mitarbeiter der Artos-Gruppe
mußten alle Bewerber und Mitarbeiter die
Beitrittserklärung zu den Christlichen Gewerkschaften
unterschreiben. Die Leiharbeiter hätten bei Einstellung
zwölf bis 15 Unterschriften leisten müssen – da sei
die unter der Beitrittserklärung oftmals nicht aufgefallen.
Nach Einschätzung des Fachanwalts für Strafrecht,
Professor Tido Park aus Dortmund, besteht der Verdacht des
»gewerbsmäßigen Betrugs« seitens des
Zeitarbeitsunternehmens und der Beihilfe dazu bei
Gewerkschaftsfunktionären.
(jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/160487.christliche-gewerkschaften-gelb.html