26.02.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Reaktionen: »Wissenschaft ist kein Sandkasten«
Ein Beratergremium der Bundesregierung hat angesichts der Debatte
um die Plagiatsaffäre von Verteidigungsminister Karl-Theodor
zu Guttenberg (CSU) vor einem Ansehensverlust der Wissenschaft
gewarnt. Er nehme mit zunehmender Besorgnis zur Kenntnis, wie in
Folge der Diskussion um die Doktorarbeit Guttenbergs »das
gesellschaftliche Ansehen der Wissenschaft Schaden zu nehmen
droht«, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats,
Wolfgang Marquardt, am Freitag in Köln. Das Gremium berät
die Bundesregierung in Fragen von Hochschulen, Wissenschaft und
Forschung.
Die »öffentlich verlautbarte Geringschätzung der
grundlegenden Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens« lasse
außer acht, daß wissenschaftlicher Fortschritt und
damit auch der Wohlstand des Landes maßgeblich auf der
Einhaltung dieser Prinzipien beruhten, erklärte Marquardt
weiter. Eine erfolgreiche Wissenschaft könne es »ohne
einen sorgfältigen Umgang mit Quellen« und »ohne
eine unmißverständliche Unterscheidung fremden und
eigenen Wissens« nicht geben. Die Reputation der deutschen
Forschung dürfe nicht durch »die Bagatellisierung
wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschädigt werden«,
warnte Marquardt.
Auch der Deutsche Hochschulverband reagierte entsetzt über die
verharmlosenden Kommentare vieler Spitzenpolitiker in den
vergangenen Tagen. »Die Marginalisierung schwersten
wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste
Repräsentanten unseres Staates ist empörend«,
erklärte Verbandspräsident Bernhard Kempen am Freitag in
Bonn. Dies sei respektlos. »Wissenschaft ist kein Sandkasten,
sondern ein elementar wichtiger Teil unserer
Gesellschaft.«
Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger
Bormann, rechtfertigte derweil das Vorgehen seines Hauses in dem
Fall. Man habe die Frage, ob Guttenberg bewußt getäuscht
habe, auf die Schnelle nicht klären können. Dies sei auch
eher eine Frage für die Staatsanwaltschaft in Hof und nicht
für seine Universität. Diese hatte Guttenberg lediglich
deshalb den Doktortitel aberkannt, weil er »gegen
wissenschaftliche Pflichten« verstoßen habe. Die
Universität wolle »gleichwohl weiterhin der Frage
nachgehen, ob hier eine bewußte Täuschung
vorliegt«.
Dem ZDF-Politbarometer vom Freitag zufolge haben die
Plagiatsvorwürfe für die meisten Befragten keine
überragende Bedeutung. Nur 22 Prozent sind der Meinung, zu
Guttenberg solle deswegen als Verteidigungsminister
zurücktreten, drei Viertel (75 Prozent) verneinen dies. Nach
anderen Rücktrittsgründen wurde allerdings auch nicht
gefragt.
(dapd/AFP/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/159936.reaktionen-wissenschaft-ist-kein-sandkasten.html