12.02.2011 / Aktion / Seite 16
Mit Literatur gegen die Globalisierung
Kubas Buchmesse ist in diesem Jahr der Bolivarischen Allianz ALBA gewidmet. Feierliche Eröffnung in Havanna – und die junge Welt ist dabei
André Scheer, Havanna
Ecuadors Kulturministerin Erika Silva durfte am Donnerstag in
Havanna die 20.Internationale Buchmesse eröffnen. Sie sprach
als Vertreterin der Bolivarischen Allianz für die Völker
Unseres Amerikas (ALBA), der in diesem Jahr die große
Literaturausstellung gewidmet ist. ALBA sei das entscheidende
Instrument, um die Kultur der Länder des Kontinents
zusammenzuführen, unterstrich Silva. Anfang dieses
Jahrhunderts habe es nahezu zeitgleich in vielen Ländern
»Hunger nach Veränderungen« gegeben, der dazu
führte, daß in zahlreichen Staaten kurz nacheinander
progressive Regierungen an die Macht kamen. Das Venezuela von Hugo
Chávez, das Bolivien von Evo Morales, das Ecuador von Rafael
Correa, Kuba, aber auch das Honduras von Manuel Zelaya seien
Beweise dafür, daß in Lateinamerika eine Alternative zur
kapitalistischen Globalisierung möglich sei. Als Beispiele
erinnerte sie an die Hilfe der Gemeinschaft für Haiti nach dem
Erdbeben im vergangenen Jahr, aber auch an die sofortigen Proteste
Lateinamerikas gegen den Putschversuch in ihrem Land am 30.
September letzten Jahres.
Unter den mehreren hundert Ehrengästen, die an der
Eröffnungsveranstaltung teilnehmen durften, waren auch Kubas
Vizepräsident Esteban Lazo, Parlamentspräsident Ricardo
Alarcón und nicht weniger als 14 Kulturminister aus den
ALBA-Ländern, aber auch aus anderen Staaten. Aus Venezuela ist
der Essayist Luis Britto García angereist, aus Brasilien kam
der Befreiungstheologe Frei Betto, und Kubas Literaturwelt wurde
unter anderem von Roberto Fernández Retamar
repräsentiert. Im Mittelpunkt standen aber die beiden
Schriftsteller Jaime Sarusky und Fernando Martínez Heredia,
die sich ebenfalls mit kurzen Ansprachen an die Gäste wandten.
»Das Geld darf nicht das einzige sein, das das Leben der
Menschen bestimmt«, forderte Martínez, der 2006 mit
dem kubanischen Nationalpreis für Sozialwissenschaften
ausgezeichnet wurde. »Nur der Sozialismus ist in der Lage,
Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu
ermöglichen.«
Die historische Festung La Cabaña, die sich mit ihren alten
Kanonenrohren über der Altstadt von Havanna erhebt, erweist
sich wieder einmal als eine beeindruckende Kulisse für das
kubanische Kulturfestival, zumal in diesem Jahr bislang auch die
Temperaturen mit karibischer Wärme mitspielen. Während
die untergehende Sonne ihr Licht über den Hafen der
kubanischen Hauptstadt streichen ließ, spielten junge
Orchester Melodien aus Lateinamerika, der kubanische Nationalchor
sang dazu. Anschließend eröffneten Lazo, Alarcón
und die angereisten Minister die gemeinsame Ausstellungshalle der
ALBA-Länder, während sich die weiteren Gäste unter
dem mittlerweile sternenklaren Nachthimmel den von freundlichen
Kubanerinnern ausgeschenkten Mojito schmecken ließen. In den
kommenden Tagen werden wieder Hunderttausende Menschen in die
Festung strömen, um Ausschau nach den Tausenden
Neuerscheinungen zu halten, die Hunderte kubanische und viele
weitere lateinamerikanische Verlage auch in diesem Jahr
anbieten.
Wer es noch nicht weiß: junge Welt ist auch vor Ort
– mit Stand, einer zweisprachigen Buchmesse-Sonderausgabe der
Zeitung und einem Blog im Internet. Wir sind seit 2004
jährlich präsent. Damals war Deutschland Gastland der
Buchmesse, die »rot-grüne« Bundesregierung setzte
aber auf Boykott und Fernbleiben. Den Herren Gerhard Schröder
(SPD) und Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) zum
Trotz war Deutschland seinerzeit mit seiner bis dato
größten Präsenz in Havanna vertreten, da sich
zahlreiche Verlage und Organisationen dem Boykott verweigerten und
sich vor Ort präsentierten. Die alternative deutsche
Beteiligung, die das Berliner Büro Buchmesse Havanna und die
junge Welt gemeinsam mit Verlagen und
Kuba-Solidaritätsgruppen arrangieren, wird seitdem
fortgesetzt. Mittlerweile ist die BRD mit der Frankfurter Buchmesse
GmbH auch wieder »offiziell« in Havanna vertreten.
https://www.jungewelt.de/artikel/159144.mit-literatur-gegen-die-globalisierung.html