11.02.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Dokumentiert: Rechtssichere Verträge?
Kurzgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Teilprivatisierungsgesetzes
der Berliner Wasserbetriebe. Erarbeitet von Rechtsanwalt Dr.
Matthias Zieger im Auftrag der SPD-Fraktion im Berliner
Abgeordnetenhaus, November 2003
»In § 23.7 verpflichtet sich Berlin, wirtschaftliche
Nachteile, die den privaten Vertragspartnern dadurch entstehen,
daß das Gesetz teilweise für verfassungswidrig
erklärt wird, auszugleichen (…)
Der Vertrag selbst war nicht Gegenstand des Urteils des VerfGH und
konnte dies auch nicht sein, weil Gegenstand eines
Normenkontrollverfahrens (…) nur »Landesrecht«,
also ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung, sein kann.
(…)
Allerdings muß der Vertrag sich seinerseits an das
Teilprivatisierungsgesetz halten, das wiederum der Verfassung
genügen muß. (…) Würde das Land Berlin mit
dieser Vereinbarung die im Teilprivatisierungsgesetz liegende
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage verlassen, und sei es auch
nur, weil die vereinbarten Ausgleichspflichten Verfassungsrecht
verletzen würden, hätte das Land Berlin mit
Abschluß dieses Vertrages gegen aus dem Verfassungsrecht
folgende Gebote verstoßen.
Der Vertrag könnte dann nach § 134 BGB (Verstoß
gegen ein gesetzliches Verbot) insoweit nichtig sein. Es würde
auch kein besonderer Vertrauensschutz für die privaten
Vertragspartner anzuerkennen sein, denn alle Vertragspartner haben
ja mit der Klausel in § 23.7 zu erkennen gegeben, daß
ihnen bewußt war, daß die geplante Teilprivatisierung
zumindest in der Form, wie sie es vertraglich beschlossen hatten,
ganz oder teilweise verfassungswidrig sein könnte.
(…)
Sollte die Ausgleichsregelung in § 23.7 des Vertrages wegen
Verletzung einer aus der Verfassung folgenden Verbotsnorm nichtig
sein, müßte geprüft werden, ob er im übrigen
nicht gleichwohl Bestand haben könnte. Nach § 139 BGB
wäre dafür Voraussetzung, daß er auch ohne den
nichtigen Teil abgeschlossen worden wäre. Da die Absicherung
der vertraglich angenommenen Höhe der Verzinsung entscheidend
für die Beteiligung der privaten Investoren und für die
Höhe ihrer Einlage (des Kaufpreises für die
Übertragung von 49,9 Prozent der Anteile der BWB) war und ist,
spräche alles für die Nichtigkeit. Die Vertragsparteien
müßten sich dann über eine Fortsetzung des
eigentlich nichtigen Vertrages mit neuem Inhalt verständigen.
Sonst wäre der Vertrag rückabzuwickeln nach den
Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung.«
https://www.jungewelt.de/artikel/159095.dokumentiert-rechtssichere-verträge.html