Obwohl Mubaraks Tage als Präsident Ägyptens gezählt
sind, weigert sich der deutsche Außenminister, sich klar zu
positionieren. Medien, Experten und gewitzte Politiker haben schon
längst erkannt, daß man mal rasch die Fronten wechseln
sollte. Selbst die USA lassen Mubarak– nach anfänglichem
Zögern – fallen wie eine heiße Kartoffel,
kommentiert die Frankfurter Allgemeine am Donnerstag. Stern online
berichtet am Freitag, daß Guido Westerwelle noch vor wenigen
Monaten das Mubarak-Regime wegen dessen »langjähriger
politischer Kontinuität« als
»Stabilitätsanker« in der Region gerühmt hat.
Zur Sicherung dieser Stabilität habe man seit dem Jahr 2000
deutsche Rüstungsexporte im Wert von 270 Millionen Euro
für das Regime genehmigt. Es sind deutsche Panzer, die durch
Kairos Straßen rollen, und in Berlin erprobte
MAN-Wasserwerfer, die in Suez die Demonstranten von den
Straßen fegen. Wahrscheinlich gibt Westerwelle deshalb
Ägypten noch nicht verloren, er fordert zwar mit markigen
Worten Demokratie, aber keinesfalls den sofortigen Rücktritt
Mubaraks. »Wer das ägyptische Volk regiert, das kann nur
vom ägyptischen Volk entschieden werden«, weicht
Westerwelle laut Stern konkreten Fragen aus.
Demokraten könnten wegen der Glaubwürdigkeit eigentlich
nur auf die Demokratie setzen, meint Berthold Kohler in seinem
Titelseitenkommentar in der Frankfurter Allgemeinen vom Donnerstag
mit der hübschen Überschrift »Die Welt, wie sie
ist«. Sie müßten eigentlich alle
Demokratisierungsversuche unterstüzten, meint er, um sich dann
zu präzisieren: eigentlich nur jene, die von einer
Volksbewegung getragen werden, die diese Hilfe auch verdient. Wie
verdient sich nun das Volk solche Hilfe? Da gäbe es
schließlich Bewegungen, die zwar durch Wahlen bestätigt
seien, aber der damit zum Ausdruck gebrachte Volkswille müsse
»nicht immer nur auf Friede, Freude, Eierkuchen gerichtet
sein«. Soll heißen, daß der Volkswille nicht
immer und überall den Wünschen und Interessen des
Westens, also des Kapitals, wohlgefällig ist.
Mit den Beispielen Irak, Afghanistan und Palästina macht
Kohler dann deutlich, daß nicht alles schon deshalb gut wird,
»wenn nur erst das alte Regime abgesetzt ist und das Volk
endlich selbst bestimmen darf, wer es künftig regieren
soll«. Demokratie ist halt doch nicht alles, trotzdem werde
man sich mit den »neuen Gebilden« arrangieren
müssen, wie schon zuvor mit diversen Mächten, »die
zwar keine lupenreine Demokratien sind, die sich aber, von
gelegentlichen Verschattungen abgesehen, trotzdem in der Gunst des
Westens sonnen, weil sie Rohstoffe oder Konsumenten im
Überfluß haben«. Oder weil sie über Macht
verfügten, als Schutzherren und Anwälte der lupenreinen
Bösewichter globale Ordnungsbemühungen zu konterkarieren.
Demokratie? Manchmal beschreibt sogar die FAZ die kapitalistische
Welt, wie sie wirklich ist.
Deshalb also basteln US-amerikanische Gesandte in Kairo und
anderswo an einer Übergangsregierung, sollen dort verbrauchte
Marionetten durch neue ersetzt werden. Aber auch dann, wenn das
Volk sich nicht täuschen läßt und sich um seine
Geschicke selbst kümmert, kann man noch so einiges drehen. Die
Westerwelles und Clintons werden dann ganz schnell schon immer auf
der Seite des Volkes gestanden haben und sich mit dem Volk von
Ägypten über die Wiederbelebung der demokratischen
Freiheiten freuen.
Aber nur, wenn dem Aufstand Friede, Freude, Eierkuchen und
Coca-Cola folgen. Denn da hat man sich schon mal kräftig
geirrt. Am 11. Januar 1959, nur wenige Tage nach der erfolgreichen
Revolution in Kuba, läßt die Firma Coca-Cola ganzseitig
in der in Havanna erscheinenden Kultur- und Politikzeitschrift
Bohemia per Anzeige bekanntgeben: »Die Abfüllfirma
Coca-Cola S.A. freut sich mit dem Volk von Kuba über die
Wiederbelebung der demokratischen Freiheiten in unserem
Vaterland.« Es dauerte noch eine Weile, bis man in den USA
erkannte, daß die Kämpferinnen und Kämpfer um Fidel
Castro keineswegs die Freiheiten von Coca-Cola wiederbelebten und
daß das Vaterland von Coca-Cola eben doch nicht das
revolutionäre Kuba ist.
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