01.02.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Dokumentiert: Merkel muß Farbe bekennen
Der außenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im
Bundestag, Wolfgang Gehrcke, kritisiert die doppelten Standards in
der deutschen Nahostpolitik:
Die Bundesregierung muß Farbe bekennen: weitere
Unterstützung für korrupte, diktatorische und
gewalttätige Regime oder Hilfen für die
Volksaufstände in Ägypten, Tunesien und Jordanien. Beides
zusammen geht nicht. Die deutsche Nahostpolitik droht an ihren
doppelten Standards zu scheitern.
Während weltweit der ägyptische Präsident Mubarak
berechtigterweise zum Rücktritt gedrängt wird und
Hoffnung auf mehr Demokratie in Ägypten, Tunesien und
Jordanien aufkeimt, betrachtet die israelische Regierung die
Volksaufstände in diesen Ländern als existentielle
Gefahr. Der von Mubarak eingesetzte Vizepräsident Suleiman ist
keine demokratische Alternative. Der Geheimdienstchef mit engsten
Verbindungen zum Mossad und der CIA verantwortet geradezu
Repression, Folter und Gewalt in Ägypten.
Bei den deutsch-israelischen Regierungsgesprächen sollte die
Bundesregierung eine einfache Forderung präsentieren: Karten
auf den Tisch! Deutschland als Mitglied im Weltsicherheitsrat und
als Teil der Europäischen Union – insofern also
einflußreich im Nahost-Quartett (UNO, EU, USA, Rußland,
d.R.) – kann nicht länger widerspruchslos hinnehmen,
daß Israels Ministerpräsident Netanjahu zwar von einer
Zwei-Staaten-Lösung redet, seine Regierung aber alles tut, um
eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich zu machen. Die
Eckpunkte einer Zwei-Staaten-Lösung sind international klar
vereinbart: die Gründung eines lebensfähigen
palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit der
Hauptstadt Ost-Jerusalem. Die israelische Regierung muß
erklären, ob sie bereit ist, diese Eckpunkte ohne
Einschränkungen zu akzeptieren. Deshalb: Karten auf den
Tisch!
Israel wäre gut beraten, nicht länger die Illusion zu
verbreiten, die Volksaufstände in Ägypten und Jordanien
hätten nichts mit der Demütigung der
Palästinenserinnen und Palästinenser, vor allem der
Menschen in Gaza, zu tun. Auch die Zurücksetzung der
arabisch-palästinensischen Bevölkerung in Israel wird in
den arabischen Ländern mit Zorn und Empörung beantwortet.
Wer Demokratie will, muß solche Zustände beenden und
darf nicht länger mit antidemokratischen Regimen paktieren.
Das wiederum gilt für Deutschland und Israel.
https://www.jungewelt.de/artikel/158493.dokumentiert-merkel-muß-farbe-bekennen.html