Es ist schon erstaunlich, wie leicht sich viele Medien zu
unkritischen Sprachrohren der Mächtigen und deren politischen
Personals machen. Als in Ägypten die ersten Meldungen von
Massendemonstrationen über den Ticker laufen, wird das in den
Nachrichten von RBB-Sender RadioEins lapidar mit der Bemerkung
notiert, daß Polizei ausgerückt sei, um »dem Spuk
ein Ende« zu bereiten. Die Berliner Zeitung vom 26.Januar
berichtet von Konfrontationen zwischen Bereitschaftspolizei und
jugendlichen Demonstranten. Alles scheint weniger dramatisch und
wichtig als eine normale Nacht vom 1. zum 2.Mai in
Berlin-Kreuzberg. Ägyptens Herrscher gilt als treuer
Statthalter westlicher Interessen, eine dreißigjährige
Diktatur ist dann eben Garant für Sicherheit und
Stabilität.
In Tunesien bietet die westliche Wertegemeinschaft deshalb den
bedrohten Machthabern zunächst militärische Hilfe zur
Niederschlagung des Aufstandes an. Wenn das auch nicht mehr hilft,
werden die vorher »Unruhen« genannten Erhebungen rasch
als »jadene Revolution« gefeiert, um sie mit den in
Osteuropa von Geheimdiensten angeleiteten und finanzierten
Operationen in eine Linie zu stellen. Viele Medien übernehmen
in ihrer Berichterstattung völlig unkritisch die lancierten
Kommentare diverser Experten, die vor allem Geheimdienstexperten
sind.
Das funktioniert auch unter anderen Vorzeichen: Wenn in Kuba
fünf weißgekleidete Frauen ein Schild hochhalten, sind
zufällig westliche Journalisten dabei, die das dann als
Ausdruck massenhafter Unzufriedenheit und Unterdrückung der
kubanischen Bevölkerung weltweit über die Agenturen
schicken. Zwar erkennen die Herausgeber der Tageszeitungen immer
mehr, daß es in der sich verändernden Medienlandschaft
immer wichtiger wird, neben der Meldung eine historische Einordnung
und Interpretation des Geschehens anzubieten. Mit der
täglichen Umsetzung dieser Erkenntnis wird aber auch leichter
erkennbar, in wessen Interesse und damit aus welchem Blickwinkel
innen- und außenpolitische Ereignisse für die Zeitung
ausgewählt und erklärt werden.
So titelte die Berliner Zeitung am 27.Januar 2011: »Linke
verzweifelt an sich selbst«. In der Unterzeile heißt
es: »Beunruhigende Umfragewerte«. Angesichts sinkender
Umfragewerte wachse in der Linkspartei die Nervosität, wird
behauptet. Belegt wird das mit einer Reihe von Aussagen
»führender Mitglieder« vom rechten Flügel der
Linken. Dazu wird dann eine Grafik gestellt, die zum einen belegt,
daß im Vergleich zur Vorwoche die Linke unverändert bei
neun Prozent laut Umfragen bleibt – und damit mehr als
doppelt soviel Zuspruch als die FDP genießt, die bei vier
Prozent dümpelt. Dieser Widerspruch zwischen behaupteten
sinkenden Umfragewerten und den Fakten der Grafik wird im Text
folgendermaßen aufgelöst: Die »nur noch«
neun Prozent seien »zweieinhalb Punkte weniger als bei der
letzten Bundestagswahl«. Dabei wurde an verschiedenen Stellen
(zum Beispiel in der ARD-Sendung Anne Will vom 16. Januar)
erklärt, daß dieser längerfristige Effekt mit dem
Rückzug Oskar Lafontaines aus der Parteiführung der
Linkspartei zu tun hat.
Seit der Kommunismusdebatte ist der Stimmenanteil der Linkspartei
eher stabil, trotz der Schmähungen der eigenen Vorsitzenden
auch durch »führende Mitglieder« der Partei.
Nachdem im Bericht dramatisierend aufgezählt wird, wo die
Linke überall an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern
könnte, wird »Berlins Linkenchef Klaus Lederer«
zitiert: »Ich halte die Lage für ernst«, der
»Linkenchef von Mecklenburg-Vorpommern« darf ein
Scheitern in Hamburg ein »Schreckensszenario« nennen.
Ein gängiges Muster im journalistischen Betrieb:
Berücksichtigt werden nur jene Aussagen, die zur Tendenz des
vorgedachten Beitrags passen. So wurden direkt nach dem
Kommunismus-Beitrag der Linke-Vorsitzenden Gesine Lötzsch in
der
jungen Welt sehr viele Bundestagsabgeordneten ihrer
Partei von Journalisten abtelefoniert. In der Berichterstattung
kamen aber in der Regel nur jene zu Wort, die sich kritisch bis
ablehnend zu Frau Lötzsch geäußert haben.
Auch um sich für die Kommunismusdebatte ein wenig sachkundiger
zu machen, werden in den nächsten Tagen einige
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
jungen Welt mit der
Delegation des Berliner Büros Buchmesse Havanna auf die rote
Karibikinsel fliegen. Wir werden unseren vielen
Gesprächspartnern die Frage stellen, was sie vom Kommunismus
halten. Unabhängig davon, wie ihre Antwort aussieht, werden
wir natürlich auf unserem Online-Spezial Buchmesse (
www.jungewelt.de/havanna2011/) darüber berichten.