29.01.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Umbildung des Kabinetts
Dem zweiten Kabinett von Premierminister Mohammed Ghannouchi werden
außer ihm selbst nur noch zwei ehemalige Minister des
gestürzten Präsidenten Ben Ali angehören. Nach
anhaltenden Protesten, Demonstrationen und einer Belagerung des
Amtssitzes des Ministerpräsidenten verkündete Ghannouchi
am Donnerstag abend in einem Fernsehinterview die neuerliche
Regierungsumbildung. Einen Wechsel gibt es insbesondere auf den
Schlüsselposten Äußeres, Inneres und Verteidigung.
Lediglich die Fachminister für internationale Zusammenarbeit
und für Industrie und Technologie bleiben in ihren
Ämtern. Der Gewerkschaftsverband UGTT entschied sich gegen
eine erneute Regierungsbeteiligung. »Wir wollen als
Gewerkschaft eine Art Gegenmacht bleiben, aber wir werden
selbstverständlich unsere Meinung zur Zusammensetzung der
Regierung sagen«, erklärte ein Vertreter.
Nicht zufällig war am Montag der US-Unterstaatssekretär
für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, zu Gesprächen in
Tunis eingetroffen. Feltman werde erkunden, so verlautete aus dem
State Department in Washington, wie die USA bei der Vorbereitung
der anstehenden Wahlen »mit der Unterstützung durch
Nichtregierungsorganisationen, die in vielen Ländern weltweit
gearbeitet haben, behilflich sein könnten«. Was den
Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah bewog, sich aus Beirut
erneut warnend vernehmen zu lassen: »Das tunesische Volk
muß die Einmischung der Vereinigten Staaten
zurückweisen.« Es müsse sich »wappnen gegen
ein Komplott, das die USA gegen seine Revolution
schmieden«.
Der 80jährige Ahmed Mestiri hat mit zwei weiteren Veteranen
der tunesischen Politik die Initiative zur Schaffung eines
»Rates der Weisen« ergriffen. Das Gremium soll die
spontan ausgebrochene Revolution schützen. »Es ist an
der Zeit, daß die Bewegung eine Struktur bekommt«,
erklärte Mestiri. Die Übergangsregierung hat Wahlen in
sechs Monaten angekündigt. Nach Meinung von Mestiri,
könnte deren Organisation mehr Zeit beanspruchen. Es
könne wegen des Chaos’ einen Rückschlag geben. Dies
würde die Institutionen beeinträchtigen. »Sowohl
innerhalb wie außerhalb des Landes gibt es Feinde, die ihre
Kräfte zusammenlegen, um die Rückkehr des ungerechten
Regimes von Ben Ali zu betreiben.«
(kvr)
https://www.jungewelt.de/artikel/158312.umbildung-des-kabinetts.html