28.01.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Lockspitzel. Rechtsstaat?
Sollte sich die Vermutung bestätigen, daß der britische
Undercover-Polizist Mark Kennedy als Lockspitzel linke Aktivisten
zu Straftaten angestiftet hat, wäre das auch in der
Bundesrepublik keineswegs ein Einzelfall.
Ein bekannter Fall eines solchen Agent Provocateur war der des
Verfassungsschutzmannes Peter Urbach, der Ende der 1960er Jahre
Sprengsätze und Waffen an Aktivisten der Berliner
Studentenbewegung lieferte, aus deren Milieu sich die
Stadtguerillaorganisationen RAF und Bewegung 2.Juni bildeten. Eine
dieser Bomben kam beim Anschlag der »Tupamaros
Westberlin« auf das jüdische Gemeindehaus 1968 zum
Einsatz. Spektakulär war auch der 1978 vom
niedersächsischen Verfassungsschutz inszenierte Bombenanschlag
auf das Gefängnis in Celle. Durch die vorgetäuschte
Aktion zur Befreiung einer mutmaßlichen RAF-Gefangenen sollte
ein Spitzel in die RAF eingeschleust werden.
Bei den Protesten gegen den Heiligendammer G-8-Gipfel 2007 wurde
von Demonstranten ein szenetypisch schwarz gekleideter
Zivilpolizist entlarvt, nachdem er aufgerufen hatte, Steine zu
sammeln. Er warf mit dem Ruf »Rauf auf die Bullen« auch
selber einen Stein. Die Bremer Polizei bestätigte, daß
es sich bei dem zeitweise vermummt agierenden Mann um einen Beamten
ihrer Beweis-und-Festnahme-Einheit BFE gehandelt habe.
Als Beweis für angebliche Gewalttaten der Demonstranten bei
den von der Polizei massiv angegriffenen Protestierern gegen das
Bahnhofsprojekt »Stuttgart21« am 30. September 2010
präsentierte die Polizei eine Videoaufnahme einer maskierten
Person, die offenbar Pfefferspray auf Polizeibeamte sprüht.
Auf anderen, von Demonstrationsteilnehmern aufgenommenen Filmen ist
allerdings zu sehen, wie der Vermummte anschließend von
anderen Polizisten in Sicherheit gebracht wurde.
https://www.jungewelt.de/artikel/158284.lockspitzel-rechtsstaat.html