26.01.2011 / Feuilleton / Seite 12
Habermas warnt
Als »Skandal im Skandal« kritisierten die beiden
deutschen Philosophen Julian Nida-Rümelin und Jürgen
Habermas das Verhalten der EU-Kommission gegenüber der
halbfaschistischen Fidesz-Regierung um Viktor Orbán in
Ungarn. In einem am Dienstag in der Süddeutschen Zeitung
abgedruckten Aufruf fordern beide Brüssel auf, nicht nur der
»längst überfälligen rechtlichen
Prüfung« des ungarischen Mediengesetztes nachzukommen.
Die Kommission müsse auch die Praktiken der ungarischen
Regierung und ihrer Behörden in die Prüfung einbeziehen
»und dabei insbesondere die Behandlung kritischer
Wissenschaftler und Intellektueller im Auge haben«. Richtung
Berlin hieß es: Auch die deutsche Bundesregierung belasse es
bei »schmallippigen Äußerungen«.
Konkret nennen Habermas und Nida-Rümelin den Fall der drei
Wissenschaftler Agnes Heller, Mihály Vajda und Sándor
Randóti. Sie hatten Ministerpräsident Victor
Orbán für sein Mediengesetz öffentlich kritisiert.
Nun werden gegen sie und andere Philosophen Verfahren wegen
Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von
Fördermitteln der EU eingeleitet, begleitet von einer
»Hetzkampagne der regierungsnahen Presse«.
Überhaupt mehren sich die Berichte über zunehmende
Gleichschaltung anderer gesellschaftlicher Bereiche. So berichtete
die SZ auf derselben Seite über Orbáns
»völkische« Kulturpolitik. Kulturposten
würden mit eigenen Leuten besetzt, während der gesamte
Führungskader der öffentlich-rechtlichen Medien genauso
entlassen wurde wie leitende Angestellte der Mehrzahl der Museen
und Galerien. Gleichzeitig würden massiv Gelder für
Museen und die freie Theaterszene gekürzt. (jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/158135.habermas-warnt.html