22.01.2011 / Inland / Seite 4
Jalloh-Prozeß: Angeklagter spricht
Magdeburg. Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall
des Asylbewerbers Oury Jalloh angeklagte Polizist hat am Freitag
vor dem Magdeburger Landgericht erstmals eine Aussage gemacht. In
einer persönlichen Erklärung schilderte der
50jährige, der damals als Dienstgruppenleiter die
Verantwortung für die Abläufe im Dessauer Polizeirevier
trug, die Vorgänge, die angeblich zu Jallohs Feuertod
führten.
Der Angeklagte gab an, zunächst aus der Sprechanlage
»Rufe und rasselnde Geräusche« gehört zu
haben. Weil er ein Telefonat führte, habe er den Lautsprecher
heruntergedreht. Kurz darauf sei der Feuermelder angesprungen. Dann
habe er das Signal abgedreht und die Schlüssel geholt. Wenige
Augenblicke später sei die Anlage erneut angesprungen. Ob er
den Ton erneut ausgedreht habe, wisse er nicht mehr. Daß es
tatsächlich brannte, habe er bis zum Öffnen der
Zellentür nicht geahnt. »Unterschwellig habe ich an eine
Fehlfunktion des Rauchmelders gedacht«, behauptete er. Er
erklärte, der Vorfall tue ihm leid. Fremdenfeindliche oder
rassistische Motive für seine Versäumnisse bestritt
er.
Der Asylbewerber aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 bei einem
Brand in der Zelle an den Folgen eines Hitzeschocks gestorben. Nach
Überzeugung der des Landgerichts Dessau, das den
Dienststellenleiter am 8. Dezember 2008 freigesprochen hatte, soll
der alkoholisierte Jalloh die schwer entflammbare Matratze, auf der
er an Händen und Füßen gefesselt war, selbst
angezündet haben. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten
Revision eingelegt. Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof in
Karlsruhe den Freispruch auf. (dapd/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/157958.jalloh-prozeß-angeklagter-spricht.html