18.01.2011 / Inland / Seite 5
Völkermordprozeß in Frankfurt
Frankfurt/Main. Erstmals muß sich ab heute in Deutschland ein
Angeklagter wegen Beteiligung am Völkermord in Ruanda
verantworten. Der ehemalige Bürgermeister einer Gemeinde im
Nordosten des afrikanischen Landes ist vor dem Oberlandesgericht
Frankfurt am Main angeklagt, in seiner führenden Position 1994
drei Massaker angeordnet zu haben, bei denen insgesamt mehr als
3730 Menschen aus der Volksgruppe der Tutsi getötet
wurden.
In Ruanda wurden 1994 innerhalb von drei Monaten mindestens 800000
Menschen getötet. Die meisten der Opfer gehörten zur
Minderheit der Tutsi. Der wegen Völkermord und Mord sowie
Anstiftung zum Völkermord und Mord angeklagte Onsphore R. ist
ein Hutu. Seit 2002 lebt er in Deutschland. Seine Auslieferung
lehnte die deutsche Justiz ab, da in Ruanda kein faires Verfahren
garantiert sei.
Weil Taten von 1994 angeklagt sind, wird nicht auf Grundlage des
2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuchs verhandelt,
das Verbrechen gegen die Menschlichkeit dem Weltrechtsprinzip
unterstellt. Stattdessen gilt der Völkermordparagraf, wie er
damals im Strafgesetzbuch stand, so Frank Wallenta von der
Bundesanwaltschaft gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.
(AFP/dapd/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/157633.völkermordprozeß-in-frankfurt.html