Istanbul/Berlin. Am 9. Februar beginnt in Istanbul ein neuer
Prozeß gegen die derzeit in Deutschland lebende
türkische Feministin und Menschenrechtsaktivistin Pinar Selek.
Aus diesem Anlaß hat die türkische
Frauensolidaritätsgruppe »Amargi« zu Aktionen
für die Freilassung der Publizistin (»Zum Mann
gehätschelt – zum Mann gedrillt. Männliche
Identitäten«, siehe auch jW vom 11.6.2010) aufgerufen.
Sevim Dagdelen, Abgeordnete der Linkspartei im deutschen Bundestag,
erklärte zu dem Verfahren, es handele sich dabei um einen
weiteren Versuch, »eine Regierungskritikerin mundtot zu
machen«.
Die Soziologin war in derselben Sache – einem angeblichen
Bombenanschlag – bereits 2006 freigesprochen worden (siehe
dazu u. a. jW vom 26.11.2010). Die Staatsanwaltschaft stützt
sich bei ihren Anschuldigungen auf unter Folter erzwungene Aussagen
eines vermeintlichen Komplizen, der seine Aussagen vor Gericht
widerrufen hatte. Den Weg zur Wiederaufnahme des Verfahrens ebnete
der Kassationsgerichtshof in Ankara 2009 durch die Aufhebung des
Freispruchs und seine Forderung nach einer Freiheitsstrafe von 36
Jahren. Dies sei ein »offensichtlicher Verstoß gegen
internationales und türkisches Recht«, so Sevim
Dagdelen. Eine Verhaftung Seleks bei Einreise in die Türkei
könne »nur durch den Druck der internationalen
Öffentlichkeit verhindert werden«.
An eben diese Öffentlichkeit wendet sich auch Amargi. Die
Organisation erinnert daran, daß Selek in der Türkei
inhaftiert war und schwer gefoltert wurde, damit sie die Namen von
Personen, die sie für ihre gesellschaftskritischen Bücher
interviewt hatte, preisgeben sollte. Nachdem sie dies verweigert
hatte, wurde ihr Name mit einer Explosion auf einem Istanbuler
Gewürzmarkt in Verbindung gebracht. Amargi ruft zur
Beobachtung des Verfahrens durch internationale Gruppen und zur
Beteiligung an einer Unterschriftenkampagne des deutschen
PEN-Zentrums (www.ps-signup.de) auf. (jW)
Solidaritätsaufruf (deutsch): www.amargi.org.tr/?q=node/318