06.01.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Grenzziehung auf See
Die Grenzziehung im Zusammenhang mit exklusiven Wirtschaftszonen
auf See ist ein komplizierter Prozeß, nicht nur im Fall
Israels und Libanons. Bei gegenüberliegenden Küsten liegt
es nahe, sie entlang der Mittellinie zwischen ihnen vorzunehmen.
Bei nebeneinander liegenden Ländern und einem
einigermaßen geraden Verlauf der Küste führt das
Prinzip des gleichen Abstands zu einer Grenze, die von der
Küstenlinie senkrecht ins Meer läuft. Die Seegrenze zu
den libanesischen Gewässern, die man auf den Karten mit den
neuen Ölfeldern findet, wurde offensichtlich so gezogen.
Dies ist in der Tat die übliche Methode, allerdings nur
für einen ersten Ansatz. Sie erfordert zudem eine Einigung auf
sogenannte Triangulationspunkte auf beiden Seiten der Küste,
die Buchten, Inseln etc. berücksichtigt. Diese erste
provisorische Linie ist nur im Idealfall fair und muß in
folgenden Schritten und Verhandlungen an die örtlichen
Gegebenheiten angepaßt werden.
Ein anderer, durchaus noch üblicher Ansatz wäre, die
Landgrenze zwischen zwei Staaten ins Meer hinaus zu
verlängern. Sowohl Rußland als auch Norwegen zeichnen so
konzipierte Grenzen in den Arktischen Ozean hinaus, um ihre
Ansprüche dort zu untermauern. Bei Anwendung dieser Methode
könnten beide neuen Gasfelder »Tamar« und
»Leviathan« vor der Levante-Küste leicht auf die
libanesische Seite fallen.
Unbedingt müssen die Lagerstätten erst genauer vermessen
werden, so Catherine Hunter, die für die Region
zuständige Expertin der großen Beratungsfirma IHS Global
Insight gegenüber Reuters, um die genauen Ausmaße zu
erkennen und zu sehen, woher das Gas kommt. Denn das Gas
könnte auch aus anderen Lagerstätten zu den Bohrstellen
strömen. Gas kenne keine nationalen Grenzen. Die
Unterwasserressourcen »könnten sich sehr gut bis in
libanesische Gewässer erstrecken«, so Hunter an anderer
Stelle. Auch die Seegrenzen müßten dringend geklärt
werden. Der Streit um Landgrenzen, insbesondere die israelische
Besetzung der Schebaa-Farmen und der Golanhöhen, würden
nicht gerade das Vertrauen stärken, daß Israel sich an
internationale Regeln halten werde. (jg)
https://www.jungewelt.de/artikel/157000.hintergrund-grenzziehung-auf-see.html