17.12.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Präsidentenwahl in Belarus
Für den 19. Dezember sind etwa 7,1 Millionen Wahlberechtigte
in der Republik Belarus zur Wahl des Staatspräsidenten
aufgerufen. Die Zentrale Wahlkommission hat zehn Kandidaten
registriert, darunter den amtierenden Präsidenten Alexander
Lukaschenko.
Allen Bewerbern wurde gleicher Zugang zu den Medien garantiert. Der
bei der letzten Wahl vom Westen stark unterstützte
Oppositionskandidat Alexander Milinkiewitsch trat nicht an und
begründete dies damit, daß sich die Gegner Lukaschenkos
nicht einig geworden seien. Die Minsker Regierung hat erneut eine
unbegrenzte Zahl internationaler Wahlbeobachter des in Warschau
angesiedelten Büros für Demokratische Institutionen und
Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie der Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten (GUS) eingeladen.
Favorisiert ist Lukaschenko, der 1994 erstmals mit 81,7 Prozent zum
Staatspräsidenten gewählt worden war und im Jahre 2000
sowie 2006 mit jeweils etwa 80 Prozent erneut siegte. Seine
Popularität gründet sich auf eine relativ stabile
wirtschaftliche Entwicklung des Landes, die es im Unterschied zu
den meisten Nachbarstaaten erlaubt, die soziale Infrastruktur zu
erhalten sowie Einkommen und Renten schrittweise zu erhöhen.
Der monatliche Durchschnittslohn betrug im September 1,305
Millionen Belarussische Rubel (umgerechnet etwa 330 Euro). Die
Arbeitslosenrate liegt offiziell bei etwa einem Prozent.
Nach Festlegung des Wahltermins am 14. September bemühte sich
insbesondere die der CDU nahestehende Konrad-Adenauer- Stiftung
(KAS), Einfluß auf den Wahlkampf zu nehmen und die Opposition
gegen Lukaschenko zu vereinigen. In den deutschen Medien fand die
Wahl im Unterschied zu früheren kaum Resonanz, wie die KAS am
Donnerstag resümierte: »Da Sensationsfotos und
beeindruckende Bilder in diesem Jahr ausblieben, entschieden sich
zahlreiche Medien wohl dazu, lieber gar nicht zu berichten.
Objektive Analysen und Berichte über die Entwicklungen suchten
wir meistens vergeblich.« (http:// belaruswahl2010.wordpress.
com/) Die Bemühungen der Vertreter von ODIHR, die bereits seit
Dienstag in Belarus laufenden sogenannten Vorwahlen –
insbesondere für im Ausland lebende Wähler – zur
Quelle von Manipulationen zu erklären, fanden ebenfalls
geringe Aufmerksamkeit.
Nach jW vorliegenden Informationen wird als Neuerung in jedem
Wahllokal am Ende des jeweiligen Vorwahltages in Gegenwart lokaler
Beobachter ein Protokoll mit der Zahl der Abstimmungsberechtigten
des betreffenden Bezirks und der Zahl derjenigen, die vom Recht der
Vorwahl Gebrauch machten, öffentlich ausgehängt. Am
heutigen Freitag befaßt sich der Bundestag laut Tagesordnung
um 20.30 Uhr mit den Wahlen in Belarus. (jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/156065.hintergrund-präsidentenwahl-in-belarus.html