01.12.2010 / Feuilleton / Seite 12
Picassos Elektriker
Ein französisches Rentnerehepaar hat 271 bisher unbekannte
Werke Pablo Picassos jahrzehntelang versteckt. Die Behörden
beschlagnahmten die Bilder, Collagen und Skizzen Anfang Oktober,
wie die Zeitung Libération berichtete. Picassos Sohn Claude,
Nachlaßverwalter der Familie, hatte Anzeige erstattet,
nachdem ihm das Paar die Werke gezeigt hatte.
Erstmals hatte sich der 71jährige Pierre Le Guennec im Januar
an Claude Picasso gewandt. Er schickte damals gut 20 Fotos
unbekannter Picasso-Werke und bat um ein Echtheitszertifikat.
Weitere Fotos folgten im März und April. Im September kam das
Ehepaar Le Guennec, das an der Côte d’Azur lebt, mit
einem Koffer voller Bilder nach Paris. Die Werke wurden von Claude
Picasso und einigen Experten geprüft, etwaige Zweifel an der
Echtheit der Bilder offenbar ausgeräumt. »Sehr
aufgeregt« sei er gewesen, sagte Picasso der
Libération, aber auch »sehr durcheinander«, da
die undatierten Werke nie Picassos Atelier hätten verlassen
dürfen. »Wer das Werk meines Vaters kennt, weiß,
daß er alles systematisch mit Datum versehen
wollte.«
Le Guennec gab an, in den letzten drei Lebensjahren des 1973
gestorbenen Malers dessen Elektriker gewesen zu sein. Er habe vor
allem Alarmanlagen in Picassos Villen installiert. Die zwischen
1900 und 1932 entstandenen Bilder, Grafiken und Skizzenblöcke
will er geschenkt bekommen haben. Claude Picasso sagt: »Das
hat es noch nie gegeben.« Eine solche Menge hätte sein
Vater nicht verschenkt. »Pablo Picasso war ziemlich
großzügig. Aber er schrieb ein Datum darauf, signierte
und widmete alle seine Geschenke.«
Die Anwälte der Familie Picasso stellten Anzeige wegen
Hehlerei, unter die auch der bewußte Besitz von Diebesgut
fällt. Die Behörde zur Bekämpfung des Handels mit
Kulturgütern beschlagnahmte die Sammlung im Haus des Ehepaars.
Le Guennec kam in Polizeigewahrsam. Sollte er die Werke
tatsächlich gestohlen haben, bliebe die Frage, warum er sich
an die Familie Picasso wandte.
Unter den 271 Werken sind neun kubistische Collagen, deren Wert auf
rund 40 Millionen Euro geschätzt wird. Auch ein Aquarell aus
Picassos blauer Schaffensphase und Porträts seiner ersten Frau
Olga gehören dazu. (AFP/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/155146.picassos-elektriker.html