(…) Am 3. Februar 1968 wurde das schön restaurierte
Palais Beauharnais, die Residenz der deutschen Botschafter in
Paris, eingeweiht. Beim Ausgang erhielt man eine Broschüre. Am
nächsten Tag schrieb ich (auf Französisch) dem damaligen
Botschafter: »Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr mich die
Lektüre verletzt hat. Seit zwanzig Jahren versuche ich, trotz
alldem, was meine Familie und ich selbst erlebt haben, in
Frankreich das Bild eines neuen Deutschlands durchzusetzen, weil
ich glaube, daß es dieses neue Deutschland gibt. Nun geben
mir der Beitrag des Grafen von Welczeck und auch Ihre Zustimmung,
die Ihr Vorwort zu enthalten scheint, Grund, daran zu
zweifeln.
Hitler zu dienen war also ein diplomatischer Dienst wie
irgendein anderer... Und vor allem, wie ist es möglich,
vom Attentat gegen den Botschaftsrat vom Rath sprechen, ohne auch
nur ein Wort über die ›Kristallnacht‹ zu
verlieren, die darauf gefolgt ist? Je mehr ich darüber
nachdenke, desto mehr bin ich bestürzt über die
Ahnungslosigkeit, die in einem solchen Text zum Ausdruck
kommt.«
Der Botschafter fragte seine Mitarbeiter, wie er mich bestrafen
könne. Die sagten ihm, ich hätte doch recht – und
die Broschüre verschwand.
Es hat manchmal lange gedauert, bis die Erinnerung wirklich
wachgerufen wurde. Erst 1998 durfte ich hier in Frankfurt zusammen
mit Ignaz Bubis die Tafel einweihen, die am
Clementine-Kinderkrankenhaus angebracht wurde, das mein Vater bis
1933 gleitet hatte. (…) Die katholischen Bischöfe haben
erst 1975 einen wirklich schönen Text beschlossen, in dem es
heißt: »Wir sind das Land, dessen jüngste
politische Geschichte von dem Versuch verfinstert ist, das
jüdische Volk systematisch auszurotten. Und waren in dieser
Zeit des Nationalsozialismus, trotz beispielhaften Verhaltens
einzelner Personen und Gruppen, aufs Ganze gesehen eine kirchliche
Gemeinschaft, die zu sehr mit dem Rücken zum Schicksal dieses
verfolgten jüdischen Volk weiterlebte, (…)«
Damals, nach dem 9. November 1938, hatte es Dinge wie den Aufruf
des Landeskirchenrats der Tübinger Kirche gegeben, »am
Bußtag in allen Gottesdiensten zu verlesen«: »Der
feige Mord eines Juden an dem Gesandtschaftsrat vom Rath in Paris
hat unser gesamtes deutsches Volk auf tiefste empört.
(…) Es geht um den weltgeschichtlichen Kampf gegen den
volkszersetzenden Geist des Judentums. Der Nationalsozialismus hat
in unserer Zeit diese Gefahr am klarsten erkannt... Aufgabe der
Kirche in Deutschland ist es, aus christlicher Verantwortung in
diesem Kampf treu an der Seite des Führers zu stehen.«
(…)
Vollständiger Text:
www.palaestina-portal.de