25.11.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
»20 Mann mit Atombombe sind eine Armee«
Guido Westerwelle könnte versuchen, zwei Terroranschläge
pro Woche mit Toten und Verletzten zu verhindern. Der
Bundesaußenminister und Vizekanzler Deutschlands
müßte nur zum Telefon greifen und seiner Amtskollegin im
State Departement in Washington, Hillary Clinton, erklären, im
Fall weiterer US-Drohnenangriffe gegen Afghanen und Pakistanis die
Gefolgschaft zu verweigern. Das macht der FDP-Politiker
wohlweislich nicht. Statt dessen versucht er in der aktuellen
medial-politischen Terrorhysterie, noch eins drauf zu setzen. In
der Rheinischen Post vom Mittwoch warnte Westerwelle vor dem
Zugriff von Terrorgruppen auf Atomwaffen. Der droht in den Augen
des FDP-Politikers wie folgt: »Nehmen wir an, der Iran
würde sich atomar bewaffnen, wie lange dauert es wohl, bis
andere Länder nach dem Potential greifen und wie sehr
wächst dadurch die Gefahr, daß sich terroristische
Strukturen den Zugriff zu Atomwaffen oder schmutzigen Bomben
verschaffen?« Und dann, frei nach Freddy Quinns Schlager
»Hundert Mann und ein Befehl«, des
Bundesaußenministers Kurzformel zum Merken: »20 Mann
mit einer Atombombe sind eine Armee.«
Die Unionsfraktion im Bundestag legt unterdessen Wert auf die
Feststellung, daß die Freiheit der Presse trotz Terroralarm
nicht eingeschränkt werden soll. Siegfried Kauder (CDU),
Vorsitzender des Rechtsausschusses, hatte am Dienstag mit der
Forderung für Schlagzeilen gesorgt, die Medien
müßten dazu verpflichtet werden, sich
zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage hoch sei.
»Wenn die Presse darüber berichtet, welche Orte
besonders gefährdet sind, dann kann das unter Umständen
ein Anreiz für Terroristen sein«, begründete er
seine Überlegungen. Geheimdienstliche Erkenntnisse seien
schließlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Daher seien gesetzliche Regelungen oder aber die Einführung
einer Selbstverpflichtung der Medien vorstellbar. Der Chef der
Unionsfraktion, Volker Kauder, widersprach am Mittwoch. »Das
ist die private Meinung meines Bruders, das ist nicht die
Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion«, sagte der
Ältere über den Jüngeren im
ARD-»Morgenmagazin«. Deswegen werde »da auch
nichts kommen«. Es gebe bei der Pressefreiheit nichts zu
regeln. Diese sei ein hohes Gut, so Kauder d.Ä.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte die Überlegungen
Kauders d.J. zurückgewiesen. Die Freiheit der Presse sei in
der Verfassung garantiert und könne selbst dann nicht
eingeschränkt werden, wenn unter Umständen mit einem
terroristischen Anschlag gerechnet werden müßte.
(rg)
https://www.jungewelt.de/artikel/154874.20-mann-mit-atombombe-sind-eine-armee.html