18.11.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Der Euro macht Probleme
Herbert Wulff
Ein trotz des aktuellen Absatzbooms kritisches Bild der
bundesdeutschen Wirtschaftsentwicklung zeichnete Professor Gustav
Horn vom Institut für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Die
von Teilen der Politik gefeierten Exportüberschüsse
Deutschlands zögen gravierende Ungleichgewichte und
schmerzliche Anpassungsprozesse nach sich, argumentierte der
Ökonom bei einer IG-Metall-Tagung, die am Mittwoch in
Frankfurt am Main zu Ende ging. So seien die
Leistungsbilanzdefizite anderer europäischer Länder die
Kehrseite des deutschen Exporterfolgs. Dabei sei es kein Zufall,
daß die hohen Überschüsse im bundesdeutschen
Außenhandel insbesondere seit Einführung des Euro zu
verzeichnen seien. Vorher konnten derartige Ungleichgewichte durch
die Auf- und Abwertung nationaler Währungen zumindest
teilweise ausgeglichen werden. »Dieser Korrekturmechanismus
über die Wechselkurse ist seit der Euro-Einführung
weg«, sagte Horn.
»Bei strukturellen Ungleichgewichten im Außenhandel
geraten Defizitländer irgendwann an die Grenze ihrer
Kreditwürdigkeit«, so der IMK-Experte mit Verweis auf
die Entwicklungen in Griechenland, Irland und anderen Staaten. Das
sei aber nicht nur das Problem dieser Länder, sondern schlage
auch auf die deutsche Volkswirtschaft zurück. Als eine der
Ursachen für das dauerhafte Exportplus sieht Horn den
unterdurchschnittlichen Anstieg der Lohnstückkosten in der
Bundesrepublik. Diesen wiederum führt er auf die schwache
Entwicklung der Effektivlöhne zurück, die
Produktivität habe sich hierzulande hingegen etwa so
entwickelt wie im restlichen Euro-Raum.
Horns Schlußfolgerung: Das außenwirtschaftliche
Gleichgewicht müsse wiederhergestellt werden – u.a.
durch eine Steigerung der Löhne und Gehälter. Aus
volkswirtschaftlicher Sicht seien jährliche
Einkommensverbesserungen von drei bis 3,5 Prozent sinnvoll. Der
Wissenschaftler verwies darauf, daß das Produktionsniveau aus
der Zeit vor der Krise noch längst nicht erreicht sei.
Prognosen zufolge werde dies erst Ende kommenden Jahres der Fall
sein. Wie nachhaltig die Entwicklung ist – und ob die Eliten
aus der Krise gelernt haben – müsse sich also erst noch
erweisen.
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