Um sich eine Meinung zu bilden, braucht man Informationen. Solche
liefert die Bild-Zeitung am Freitag, 12. November, auf der
Titelseite. Unter der Schlagzeile »Polizeiskandal bei
Castor?« heißt es: »Was haben französische
Polizisten bei der Castor-Demo im Wendland zu suchen? Im Internet
tauchten jetzt Bilder auf, die zeigen, wie ein Beamter in blauer
Uniform einen Demonstranten im Würgegriff hält –
auf seiner Uniform steht das französische Wort
›Police‹«. Diese Informationen tauchen erst
»jetzt« auf? Und im Internet? Wie denn das?
Über den Einsatz französischer CRS-Polizisten wurde die
junge Welt schon am Montag, 8.November, nachmittags durch
einen Anrufer informiert. Er gab der Redaktion auch die Handynummer
des Rechtsanwalts Christoph Müller weiter, der deshalb Anzeige
wegen Amtsanmaßung und Verstoßes gegen das Waffengesetz
erstattete. Die Meldung wurde nicht sofort in unseren Castorticker
übernommen, weil wir sie nicht verifizieren konnten. Am
Dienstag, 9. November, nahm jW-Redakteur Peter Wolter Kontakt zu
Rechtsanwalt Müller auf, der ihn über seine von ihm
selbst beobachteten Details informierte und uns auf zwei Fotos
hinwies, die wir dann bei PiratenTV im Internet fanden. Die
Aufnahmen stammen von dem Fotografen Christian Jäger, er hatte
sie am Sonntag gegen 13.50 Uhr zwischen Leitstade und Harlingen
aufgenommen, aber niemand beachtete seine
Internetveröffentlichung. Das Ergebnis dieser Recherchen
inklusive Foto von Jäger wurden auf der Seite drei der
jW-Ausgabe vom Mittwoch, 10.November, abgedruckt. Aufgrund dieser
Meldung ließ die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke,
Ulla Jelpke, die Fotos kopieren und um 10.00 Uhr im
Innenausschuß des Bundestages verteilen. Über den
Einsatz französischer Polizisten und die Reaktion des
Innenausschusses berichtete sie dann gegen Mittag in einer
Pressemitteilung, in der auch die jW erwähnt wurde. In einem
Telefonat mit einem Mitarbeiter des Grünen-Abgeordneten
Christian Ströbele teilten wir die Fundstelle im Internet mit.
Auch das Büro Ströbele verschickte eine Pressemitteilung
mit weiteren Informationen. Während die Pressemitteilung von
Ulla Jelpke von den Medien ignoriert wurde, war die von Christian
Ströbele Basis für die ersten Agenturmeldungen, die in
vielen Medien am 11.November zitiert wurden. Hinweise auf die
junge Welt waren nirgendwo zu finden. Erst einen weiteren
Tag später, am 12. November, meldet die Bild-Zeitung,
daß »jetzt« Bilder und Infos über
französische Polizisten im Internet aufgetaucht seien.
Diese Geschichte über den Werdegang einer Information ist
exemplarisch. Zuletzt erlebten wir diese bei den gezielten
Veröffentlichungen wichtiger Passagen der Geheimverträge
um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vor einigen
Tagen in der taz. Die
junge Welt hatte wesentliche
Bestandteile daraus bereits am 21. März 2009 publiziert, was
damals noch nicht einmal von der taz registriert wurde. Das Problem
liegt aber nicht nur daran, daß uns andere Medien ignorieren.
Wir selbst sind im Moment nicht in der Lage, mit der gebotenen
Schnelligkeit uns verfügbar gemachte Informationen
nachzurecherchieren und medial aufzubereiten. Doch unser
Online-Spezial zu den Castortransporten im Wendland hat erneut
gezeigt, wie wir es künftig besser machen können. Dazu
wollen wir die Redaktion ausbauen und unsere Marketingarbeit
qualifizieren, aber auch das Printprodukt weiterentwickeln. Die
dazu notwendigen Vorbereitungen sollen bis März abgeschlossen
sein. Im April und Mai 2011 werden wir mit einer bundesweiten
Kampagne die überarbeitete
junge Welt vorstellen.
Für die Entwicklung von Redaktion und Aktionsbüro
brauchen wir allerdings personelle Verstärkung. Und da wir
für die bundesweite Kampagne wir nur auf bescheidene
ökonomische Mittel zurückgreifen können, rechnen wir
mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Leserinnen und
Leser. Mit Verteilaktionen, dem Werben von Probeabonnenten und der
Bildung von Aktionsgruppen kann aber schon jetzt begonnen werden.
Denn die Zahl der Abos in Netz und Print entscheidet letztlich
ökonomisch über unsere Weiterentwicklung.
Zum Nachlesen:
»Bürgerkriegstruppe«.
Von Peter Wolter
»Gewinne
garantiert«. Von Jörn Boewe