11.11.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Im Porträt: Rafael Correa
Ecuadors Präsident Rafael Correa hat eine politische
Biographie, die ihn deutlich von seinen Amtskollegen von den
anderen Mitgliedsländern der Bolivarischen Allianz ALBA
unterscheidet. Er war kein Soldat wie Hugo Chávez, kein
Gewerkschafter wie Evo Morales und kein Guerillero wie Daniel
Ortega. Der studierte Ökonom, der unter anderem Hochschulen in
Belgien und den USA besuchte, wurde im April 2005 vom damaligen
Staatschef Alfredo Palacio zum Wirtschaftsminister des Landes
berufen. Nur gut ein Vierteljahr später trat Correa von diesem
Posten jedoch wieder zurück, da er sich mit seinen politischen
Vorstellungen im Kabinett nicht durchsetzen konnte. Statt dessen
gründete er das Wahlbündnis Alianza PAIS, mit dem er die
Präsidentschaftswahlen 2006 für sich entscheiden konnte.
Bei seiner Vereidigung versprach er eine
»Bürgerrevolution« und radikale
Veränderungen. Die wurden in Form einer Verfassunggebenden
Versammlung auch tatsächlich in Angriff genommen. Die neue
Magna Charta wurde bei einer Volksabstimmung im April 2007 mit 81,7
Prozent der Stimmen angenommen. Trotzdem geriet Correa im Laufe der
Zeit immer wieder in Konflikt mit bisherigen Unterstützern. So
scherte die Dachorganisation der Indígenas, CONAIE, aus der
Allianz um den Staatschef aus und kritisierte, daß dieser die
Entwicklung von Industrie und Infrastruktur auf Kosten der
ursprünglichen Bevölkerung vorantreibe.
Auch die kleine Kommunistische Partei (PCE) und der
Gewerkschaftsbund CTE kritisieren Zugeständnisse an
Unternehmen, die sie als »neoliberalen Verrat« an der
Revolution brandmarken. Doch auch sie hätten bei einem Sturz
Correas trotz aller Unzufriedenheit viel zu verlieren. So
führte Correa sein Land in das 2004 von Kuba und Venezuela
gegründete antiimperialistische Staatenbündnis ALBA und
gehört zu den aktivsten Verfechtern der Einführung einer
südamerikanischen Regionalwährung. Diese sieht er als
Möglichkeit, die 2000 erfolgte Einführung des US-Dollars
als einzige Landeswährung in Ecuador zu überwinden. Auch
die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA
wurden unter Correa abgebrochen.
Für internationale Aufmerksamkeit sorgte auch der Vorschlag
Correas, auf die Förderung von Erdöl im
Yasuní-Nationalpark zu verzichten, wenn die Industriestaaten
dafür Ecuador die Hälfte der dadurch entgehenden
Einnahmen erstatten. Während diese Initiative in Lateinamerika
und von der UNO begrüßt wurde, hält sich die
Begeisterung in Europa in Grenzen. Die Bundesregierung
beispielsweise will sicherstellen, daß das
»Yasuní-ITT«-Projekt kein Präzedenzfall
für andere Länder wird.
(scha)
https://www.jungewelt.de/artikel/154049.im-porträt-rafael-correa.html