Auszüge aus dem Impulsreferat »Frieden schaffen
ohne Waffen« von Sevim Dagdelen auf dem Linke-Programmkonvent
in Hannover:
Die Friedenspolitik im Programm für einen demokratischen
Sozialismus muß im Zusammenhang mit dem restlichen Programm
stehen. Friedenspolitik ist ein Querschnittsthema. Sie
läßt sich nicht gesondert vom übrigen Programm
behandeln. Die Positionen zur Wirtschaftspolitik, zur
Demokratisierung und Zurückdrängung der Macht des
Kapitals sind Schritte hin zu einer friedlicheren Gesellschaft und
zu einer friedlicheren Weltordnung. Während die Beschreibungen
der Auswüchse von Kapitalismus und Neoliberalismus in
Deutschland und Europa zutreffend sind, bleibt deren Betrachtung im
globalen Maßstab mangelhaft. Der unmittelbare Zusammenhang
zwischen Kapitalismus, militarisierter Außen- und
Sicherheitspolitik, der hieraus entstehenden Armut, Ohnmacht und
Perspektivlosigkeit und den daraus entstehenden Kriegen und
Konflikten bleibt ausgeblendet. (...)
Die Linke lehnt Kriege und Gewalt als Mittel der Politik ab. Das
unterscheidet Die Linke im wesentlichen von allen anderen im
Bundestag vertretenen Parteien. Im Programmentwurf heißt es:
»Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der
Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an
UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der
UN-Charta.« Weiter: »Statt Aufrüstung,
militärischer Auslandseinsätze und EU-NATO-Partnerschaft
ist eine Umkehr zu einer friedlichen Außen- und
Sicherheitspolitik notwendig, die sich strikt an das in der
UN-Charta fixierte Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen
hält.«
Diese beiden Positionen bestätigen den Kern der bisherigen
friedenspolitischen Grundlagen der Linken. Es ist aber sinnvoll,
einen Schritt weiter zu gehen. Eine deutsche Beteiligung an
Kapitel-VI-Einsätzen ist äußerst problematisch. Bis
hinein in die 90er Jahre galt in der UNO der ungeschriebene
Grundsatz, daß sich Groß- und Mittelmächte sowie
einflußreiche Mitglieder von Militärbündnissen
nicht an sogenannten friedenserhaltenen Missionen beteiligen
sollten. Als zu groß wurde die Gefahr angesehen, daß
eine Entsendung auch nur einer symbolischen
Kontingentgröße dazu mißbraucht würde, um
eigene Interessen mit zu befördern und damit die Mission als
Ganzes zu gefährden. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde
diese Maxime leider ad acta gelegt. Insbesondere auf Drängen
der USA, aber auch Deutschlands. Ich denke, daß dieses
ungeschriebene Gesetz weiterhin gelten sollte. (...)
Aktuell wird die Bundeswehr in eine Interventionsarmee umgewandelt.
Ziel der Linken muß ein Zurück zum Grundgesetz sein. Als
ersten Schritt die Bundeswehr nur zur Landesverteidigung und dann
gemäß dem Grundgesetz von 1949 abbauen. D. h.zuerst
diejenigen Teile der Bundeswehr abrüsten, mit denen Krieg
geführt werden kann und wird. Also: Auflösung der
Kommandospezialkräfte, des Einsatzführungskommandos, des
Gefechtsübungszentrums, der Division Spezialoperationen und
aller Einsatzkräfte der Marine und Luftwaffe. Zentral ist die
Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr –
insbesondere in Afghanistan.
Polizei- und Militärhilfe für Drittstaaten greift massiv
in die Machtverhältnisse innerhalb dieser Gesellschaften ein.
Entweder sie stärkt die Regierung gegen Proteste und
Rebellionen oder sie stärkt Sezessionisten oder einzelne
bewaffnete Machteliten. Polizei- und Militärhilfe entwickelt
sich zunehmend zum zentralen Konzept für militärische
Besatzungen, den Eingriff in Bürgerkriege von außen und
damit zum Kernkonzept sicherheitspolitischen Krisenmanagements im
Kontext einer neoliberalen Weltordnung. Sie entzieht sich
demokratischer Kontrolle und birgt starke Tendenzen zur
Privatisierung von Sicherheitspolitik. Die Linke sollte dieses
Konzept kategorisch ablehnen. Die jüngste Entscheidung des
sozialdemokratischen Innenministers in Brandenburg, keine
Polizisten mehr in den Krieg nach Afghanistan schicken zu wollen,
ist wegweisend. (…) Die Linke muß Polizei- und
Militärhilfen in Konfliktgebieten ablehnen.
Die NATO hat ihre Existenzberechtigung spätestens nach 1989
verloren und ist zu einem aggressiven
Kriegsführungsbündnis geworden. Zu Recht wird sie in
weiten Teilen der Welt als Bedrohung und Anlaß für
Aufrüstung wahrgenommen. Sie bedroht bis heute die gesamte
Welt mit atomarer Vernichtung. Die NATO gehört aufgelöst.
Als Schritt hierzu muß die EU jede Kooperation mit der NATO
einstellen. So würde die EU nicht mehr in der Lage sein, sich
an Angriffskriegen zu beteiligen. Zur Auflösung der NATO
könnte ein Austritt Deutschlands aus den militärischen
Strukturen der NATO beitragen. (...)
Grundlage einer umfassenden Friedenspolitik nach außen sowie
nach innen sollte anlehnend an den Beschluß vom Cottbusser
Parteitag im Grundsatzprogramm ausgefeilter sein und heißen:
Die Linke lehnt jegliche Bundeswehreinsätze im In- und Ausland
ab. Dies muß sich als Haltelinie, d.h. in den
Mindestbedingungen für die Regierungsbeteiligung im Bund
wiederfinden. (…) Zudem kann und sollte Die Linke auch
Kriegsbeteiligungen auf Ebene der Länder – etwa mit der
Entsendung von Polizistinnen und Polizisten zur Flankierung von
Auslandseinsätzen der Bundeswehr – eine Absage erteilen.
Nur dann kann Die Linke weiterhin überzeugend und
glaubwürdig werben für das Projekt einer umfassenden
friedenspolitischen Umgestaltung der Gesellschaft.
www.sevimdagdelen.de