02.11.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Netanjahu dankt Marinekommando
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die
Marineeinheit gelobt, die Ende Mai am Überfall auf die
Free-Gaza-Flotte und an der Erschießung von neun
türkischen Aktivisten beteiligt war. Der Premier sagte in der
vergangenen Woche beim Besuch einer Militärbasis in Atlit an
der Mittelmeerküste, die Soldaten hätten auf dem
türkischen Schiff »Mavi Marmara«
»heldenhaft« gehandelt. »Gaza ist zu einer
iranischen Terrorbasis geworden, die den Staat Israel
gefährdet«, erklärte Netanjahu nach Angaben seines
Büros bei dem Besuch. Diese »Basis« liege sehr nah
an Israel und sei »sehr gefährlich«. Der Einsatz
des Marinekommandos »Schajetet 13« sei
»unabdingbar, notwendig, wichtig und legal« gewesen.
»Ihr Kämpfer hattet es dort mit einer den Terror
unterstützenden Gruppe zu tun, die gewalttätig, mit
Messern, Schlagstöcken, Motorsägen und auch Feuerwaffen
bewaffnet war«, rechtfertigte Netanjahu das Vorgehen der
Marinesoldaten. Angesichts einer tödlichen Bedrohung
hätten sie »professionell, heldenhaft,
zurückhaltend, moralisch« gehandelt, so der
Regierungschef.
Im Bericht der Untersuchungskommission des
UNO-Menschenrechtsausschusses zum Angriff auf die Free-Gaza-Flotte
heißt es in Absatz 264 dagegen wörtlich: »Das
Verhalten des israelischen Militärs und anderer Personen
gegenüber den Passagieren der Flotte war in dieser Situation
nicht nur unangemessen, sondern auch durch eine in diesem
Ausmaß völlig unnötige, unglaubliche
Gewaltanwendung gekennzeichnet. Die Brutalität erreichte ein
inakzeptables Niveau. Ein solches Verhalten kann weder aus
Sicherheitsgründen noch aus anderen Gründen
gerechtfertigt oder entschuldigt werden. Es stellte eine schwere
Verletzung der Menschenrechte und des Kriegsrechts
dar.«
Die türkische Regierung fordert vergeblich, daß sich die
Führung Israels für den Überfall auf die »Mavi
Marmara« entschuldigt. Wenn sich die israelische Regierung
nicht offiziell für den Tod von neun türkischen
Aktivisten entschuldige, könne es im Nahen Osten keinen
Frieden geben, bekräftigte Recep Tayyip Erdogan im vergangenen
Monat. Zudem bleibe Israel in der Region isoliert. Bereits am 23.
September hatte der türkische Staatspräsident Abdullah
Gül vor der UN-Vollversammlung angemerkt, daß die
Türkei immer noch auf eine Entschuldigung und eine
Entschädigung von Israel für die Toten auf der
»Mavi Marmara« warte. »Es wäre sehr
schwierig, Fortschritte auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden zu
erzielen, wenn wir nicht der humanitären Tragödie in Gaza
ein Ende setzen.« Der Nationale Sicherheitsrat in Ankara
deklarierte Israel in der vergangenen Woche als »Bedrohung
Nummer 1« für die Türkei. Die Politik Tel Avivs sei
darauf ausgerichtet, Instabilität in der Region zu erzeugen.
(rg)
https://www.jungewelt.de/artikel/153529.netanjahu-dankt-marinekommando.html