Nach den brutalen Polizeiübergriffen auf Gegner des
Bahn-Projekts »Stuttgart 21« Ende September
erfährt die unter anderem von Amnesty International (AI)
erhobene Forderung nach einer individuellen Kennzeichnungspflicht
für Polizeibeamte immer mehr Unterstützung. Am Freitag
hatten sich bereits mehr als 10100 Menschen einer Onlineaktion der
Menschenrechtsorganisation angeschlossen, in deren Rahmen von den
politisch Verantwortlichen gefordert wird, die
Kennzeichnungspflicht in Bund und Ländern einzuführen und
Übergriffe unabhängig untersuchen zu lassen.
Im Juli dieses Jahres hatte AI den vierten Bericht seit 1995 zu
rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland veröffentlicht.
Der Report »Täter unbekannt. Mangelnde Aufklärung
von mutmaßlichen Mißhandlungen durch die Polizei in
Deutschland« belegt, daß nach Vorwürfen gegen
Polizisten häufig nicht umfassend ermittelt wird. Seit 2004
haben sich demnach 869 Personen an die Nichtregierungsorganisation
gewandt und von Polizeiübergriffen berichtet. In 138
Fällen stellte AI weiterführende Nachforschungen an. Im
Zuge der Recherchen wurden mutmaßliche Opfer bzw. bei
Todesfällen überlebende Angehörige, Anwälte,
Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaften sowie Richter
befragt.
»Polizisten in Deutschland üben eine schwierige und oft
mit großem Risiko verbundene Tätigkeit aus, die die
große Mehrheit von ihnen professionell und im Einklang mit
dem Gesetz erfüllt. Dennoch gibt es immer wieder ernst zu
nehmende Vorwürfe wegen Mißhandlungen oder
unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch
Polizisten«, konstatiert Amnesty. Allein 2009 wurden der
Organisation zufolge bundesweit 2955 Ermittlungsverfahren gegen
Polizisten wegen Tötungsdelikten, Gewaltausübung, Zwang
und Mißbrauch eingeleitet. Fachleute gehen davon aus,
daß die Zahl der Vorfälle, die gar nicht erst zur
Anzeige kommen, noch höher ist.
Am kommenden Montag (25.10.) lädt AI ab 19.30 Uhr zu einer
öffentlichen Podiumsdiskussion in die Vertretung des Landes
Sachsen-Anhalt beim Bund (Luisenstraße 18, Berlin). Dort
diskutieren Monika Lüke, Generalsekretärin von AI
Deutschland, Bernhard Witthaut, stellvertretender Vorsitzender der
Gewerkschaft der Polizei, Holger Hövelmann, Innenminister des
Landes Sachsen-Anhalt (SPD), und Nicholas Long von der independent
Police Complaints Commission (iPCC), einer unabhängigen
Untersuchungskommission, die unter dem Motto »Nichts zu
verbergen?« Mißhandlungsvorwürfe untersucht.
(jW/bern)
Infos zur Kampagne und AI-Bericht als Download:
www.amnesty-polizei.de