18.10.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Medienriese: Clarín
Auf den ersten Blick erscheint Argentiniens Medienlandschaft
ziemlich vielfältig. Das gilt vor allem für
lateinamerikanische Verhältnisse. Es existieren zahlreiche
regionale und überregionale Zeitungen, allein in Buenos Aires
werden fünf Wirtschaftsmagazine herausgegeben. Und auch das
staatliche Fernsehen setzt seit einigen Jahren auf
Nachrichtenformate, anstatt Telenovelas und Unterhaltungsshows der
Privaten zu kopieren.
Gleichzeitig ist die Presselandschaft Argentiniens einer der am
stärksten konzentrierten Märkte Lateinamerikas. Laut
einer vergleichenden Studie des in Lima ansässigen
»Instituts für Presse und Gesellschaft«
beherrschen die vier größten Verlage 83 Prozent des
gesamten Marktes in den Bereichen Print, Radio, Fernsehen und
Telefon/Telekommunikation. Im Jahr 2000 waren es noch 78 Prozent.
Die größte unter ihnen ist die Gruppe Clarín mit
der gleichnamigen Tageszeitung als publizistischem Flaggschiff. Die
Zeitung wurde 1945 gegründet. Ihr Aufstieg zum
auflagenstärksten Blatt des Landes begann jedoch erst
während der Militärdiktatur (1976 bis 1983), mit deren
Hilfe die Zeitung die Kontrolle über die Produktion von
Zeitungspapier erhielt. Zum Sprung in die heutige
Meinungsführerschaft setzte Clarín während der
Regierung Carlos S. Menem (1989 bis 1999) an. Durch dessen
Liberalisierungs und Privatisierungspolitik konnte der Konzern
praktisch in allen Medienbereichen Fuß fassen. So
gehören ihm heute mit »Radio Mitre« nicht nur die
beliebteste Radiostation des Landes, sondern auch zahlreiche
Fernsehsender sowie die zwei Kabelnetzbetreiber. Clarín
beherrscht 53 Prozent des Zeitungsmarktes, beim Bezahlfernsehen
liegt der Marktanteil sogar bei 73 Prozent. Und der Konzern
weiß diesen Einfluß zu nutzen: Ob Proteste von
Agrarunternehmern, die um ihre Renten fürchten, oder
Straßenblockaden von Arbeitslosenorganisationen für
mehr Sozialprogramme – alles was gegen die Regierung
Fernández de Kirchner geht, wird bei Clarín
hochgeschrieben.
(js)
https://www.jungewelt.de/artikel/152735.medienriese-clarín.html