12.10.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Aktionsform: Krach schlagen gegen Merkel
Mit Trommeln und Trillerpfeifen, Kochtöpfen und
Kochlöffeln haben am Sonntag mehr als 3000 Menschen im
niedersächsischen Oldenburg gegen die sogenannte Sozialpolitik
der Bundesregierung protestiert. Die Arbeitslosenselbsthilfe
Oldenburg (ALSO), das Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP),
die Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG-PLESA),
das Erwerbslosen Forum Deutschland, die Koordinierungsstelle
gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V.
Wuppertal und die Gruppe ver.di Erwerbslose hatten zum großen
Krachschlagen aufgerufen. Die von Bundesarbeitsministerin Ursula
von der Leyen (CDU) angekündigte Erhöhung des
Hartz-IV-Satzes um fünf Euro ist für sie ein Hohn. Allein
für den Posten Ernährung fehlten 80 Euro monatlich,
rechneten die Protestveranstalter vor.
Auf einer Podiumsdiskussion in Oldenburg am Samstag hatte sich auch
der Leiter der Paritätischen Forschungsstelle in Berlin, Dr.
Rudolf Martens, für deutlich höhere Hartz-IV-Sätze
ausgesprochen. Der niedersächsische FDP-Landtagsabgeordnete
Roland Riese tat sich in der Debatte dagegen mit der Feststellung
hervor, er würde mit 1100 Euro monatlich für Leben und
Miete zusammen mit seiner Ehefrau über die Runden kommen.
»Man sollte Roland Riese beim Wort nehmen und ihn auffordern,
dies beispielhaft ein Jahr vorzuleben«, erklärte
daraufhin Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland.
Das Krachschlagen soll zum neuen Symbol der Sozialproteste werden,
hoffen die Oldenburger Demo-Organisatoren. »Krach schlagen
auf Kochtöpfen signalisiert, daß es ans Eingemachte
geht, daß selbst in einem der reichsten Länder auf der
Erde das elementare Grundbedürfnis nach gesunder
Ernährung verletzt wird«, hieß es in einer
Stellungnahme. »Aber Krach schlagen auf Kochtöpfen
signalisiert auch, daß wir die Machthaber in diesem Land
nicht mehr in Ruhe lassen werden.«
Das Demonstrationsbündnis dankte für die
Unterstützung verschiedener Untergliederungen des DGB, von
ver.di, der IG Metall und der GEW. Auch freue man sich, daß
Vertreter der Linken, der Grünen und der SPD für die
Demonstration ihre Solidarität bekundet hätten. An die
Adresse von Sozialdemokraten und Grünen gerichtet hieß
es aber auch: »Mit flockigen Lippenbekenntnissen ist der
Schaden, den ihr mit der Durchsetzung von Hartz IV angerichtet
habt, nicht wieder gutzumachen. Wir werden Euch an Euren Taten
messen. Und von diesen Taten ist die geringste, die wir erwarten,
daß ihr diesen Gesetzentwurf mit uns zusammen verhindert
– aber nicht für einen faulen Kompromiß im
Vermittlungsausschuß, sondern für mindestens 80 Euro
mehr für Lebensmittel – und keinen Cent weniger.«
(jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/152359.aktionsform-krach-schlagen-gegen-merkel.html