02.10.2010 / Aktion / Seite 16
jW-Sommerakademie
Lektion 15: Anschluß
Anschluß, der (m.): Politisches Schlagwort zur Bezeichnung
einer formal legalen Annexion fremden Territoriums. Anschlüsse
sind charakteristisch für die Außenpolitik
imperialistischer Staaten. Im deutschen Sprachgebrauch kam der
Begriff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf und
bezog sich auf die Forderung, nach dem
Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und der
Gründung des Deutschen Reiches 1871 die deutschsprachigen
Gebiete der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn Deutschland
anzugliedern. Seit der Herausbildung des Imperialismus wurde die
A.propaganda, die vor allem vom 1890 entstandenen
»Alldeutschen Verband« betrieben wurde, verstärkt.
Mit einer Kampagne für das »Selbstbestimmungsrecht des
ganzen deutschen Volkes« bereitete die faschistische deutsche
Presse jahrelang den A. Österreichs am 13. März 1938 vor.
Unmittelbar danach begann die Verfolgung von Kommunisten,
Sozialdemokraten und Juden, wurden die Reichsgesetze
eingeführt.
Am 13. Februar 1990 erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl einer
DDR-Regierungsdelegation, er wünsche, das Wort A. nicht zu
hören. Damit hatte DDR-Minister Wolfgang Ullmann (Demokratie
Jetzt) Kohls Plan bezeichnet, mit Hilfe und nach einer
Währungsunion das rasche Überstülpen der
bundesdeutschen Gesellschafts- und Rechtsordnung über die DDR
zu erreichen. Viele ausländische und ostdeutsche Historiker
verwenden den Begriff heute für den sogenannten deutschen
Einigungsprozeß, für maßgebliche Wissenschaftler
und Journalisten der Bundesrepublik ist er ein Tabu. Ende August
2010 sprach der brandenburgische Ministerpräsident Matthias
Platzeck im Spiegel von einer »westdeutschen
›Anschlußhaltung‹«. (asc)
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