01.10.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: Brasilien wählt Parlament und Senat
Am Sonntag wird in Brasilien nicht nur der Staatspräsident
gewählt. Auch alle wesentlichen politischen Ämter auf
Bundes- und Landesebene werden neu verteilt. Dazu gehören 513
Parlamentsabgeordnete, zwei Drittel aller Senatoren sowie die
Gouverneure der 27 Bundesstaaten und deren Landesparlamente. Nach
bisherigen Prognosen deutet sich auch hier ein klarer Sieg der
Arbeiterpartei (PT) und ihrer Verbündeten an. In 14 der 27
Bundesstaaten liegen deren Kandidaten klar in Führung, so auch
in der Millionenmetropole Rio de Janeiro und den meisten der
Staaten im verarmten Nordosten des Landes. Die Opposition
verfügt nur in sieben Staaten über einen sicheren
Vorsprung, so etwa in São Paulo. Mit 37 Millionen Einwohnern
ist São Paulo der größte Bundesstaat und der
wichtigste Wirtschaftsstandort Brasiliens. Seit 2007 wird er vom
Präsidentschaftskandidaten der sozialdemokratischen PSDB,
José Serra, regiert.
Trotz dieser komfortablen Position könnten die Wahlen
für die PT einen Einflußverlust innerhalb der
Regierungskoalition bedeuten, denn die große Siegerin wird
aller Voraussicht nach die liberale Partei der Demokratischen
Bewegung Brasiliens (PMDB) sein. Die hat sich ihre
Unterstützung der Präsidentschaftskandidatur von Dilma
Rousseff teuer bezahlen lassen. Schon jetzt drängen ihre
Abgeordneten darauf, nach deren Sieg genauso viele Ministerposten
zu erhalten wie die PT. Der Posten des Vizepräsidenten ist
schon fest vereinbart. Zudem hat die PT, um den Koalitionsfriedens
zu bewahren, in zahlreichen Bundesstaaten darauf verzichtet, eigene
Kandidaten aufzustellen, was in der Partei bereits im Vorfeld zu
erheblichen Auseinandersetzungen geführt hat.
Die PMDB war seit dem Ende der Militärdiktatur 1985 bislang an
jeder Regierung beteiligt und besetzt wichtige Positionen in
Staatsapparat und Parlament. Bereits in der zu Ende gehenden
Legislaturperiode stellt sie sowohl in der Abgeordnetenkammer als
auch im Senat die größten Fraktionen. (js)
https://www.jungewelt.de/artikel/151811.hintergrund-brasilien-wählt-parlament-und-senat.html