28.09.2010 / Feuilleton / Seite 13
1,3 Kilo
Colin Goldner
Zur Halbzeit des Münchner Oktoberfestes registrierten die
Ordnungsbehörden unter den zahllosen Schlägereien, die
das Festgeschehen dominieren, 31 Auseinandersetzungen, bei denen
Maßkrüge als Wurfgeschosse oder Schlagwaffen eingesetzt
wurden und zu teils lebensgefährlichen Verletzungen der
Getroffenen führten. In einem Fall wurde einem kanadischen
Festbesucher der Schädel eingeschlagen, in einem anderen
erlitt ein Australier durch einem Schlag gegen den Kopf eine
massive Gehirnblutung.
In einer Studie war von Münchner Rechtsmedizinern festgestellt
worden, daß ein Maßkrugschlag ins Gesicht oder gegen
den Kopf grundsätzlich lebensgefährlich sei und insofern
als versuchtes Tötungsdelikt gelten müsse. Allerdings nur
beim Einsatz eines fabrikneuen Glaskruges, der, 1,3 Kilogramm
schwer, mit einer Geschwindigkeit von mehr als acht Metern pro
Sekunde und ohne zu zerbrechen gegen den Kopf krache, wobei die
Kraft beim Aufprall etwa acht Kilonewton betrage: »Diese
Werte übersteigen die Toleranzgrenzen des menschlichen
Schädels«. Bei gebrauchten und insofern weniger stabilen
Krügen sei das Risiko geringer.
Die Idee, auf der Wiesn weniger verletzungsträchtige
Krüge aus Plastik einzusetzen, war schon vor fünf Jahren
an wütendem Protest traditionsbewußter Biertrinker
gescheitert.
https://www.jungewelt.de/artikel/151628.1-3-kilo.html