22.09.2010 / Ratgeber / Seite 14
Rechte der Empfänger von ALG II gestärkt
Laut zuständigem Arbeitsministerium dauert etwa die
Bearbeitung eines Widerspruchs durch Mitarbeiter der Bundesagentur
für Arbeit zur Zeit durchschnittlich zweieinhalb Monate.
Tausend Jobvermittler fehlen. Die Beschäftigten seien
überlastet und könnten sich nicht genügend um jeden
Erwerbslosen kümmern (siehe jW vom 11./12.9.). Entsprechend
riesig sind die Zahlen der Verfahren an den Sozialgerichten. Das
höchste, das Bundessozialgericht (BSG), entschied Ende
vergangenen Monats wieder in mehreren Verfahren – zugunsten
derjenigen, denen nur Hartz IV bleibt.
In einem Urteil des 4. Senats ging es erneut um Wohnkosten.
Erhalten Empfänger von Arbeislosengeld II (AlgII) eine
befristete Beschäftigung und ziehen währenddessen in eine
teurere Wohnung, muß die sie betreuende Arbeitsgemeinschaft
(Arge) auch diese Unterkunftskosten übernehmen. Die
Klägerin hatte nach einem Hartz-IV-Bezug 2007 eine befristete
Beschäftigung erhalten. In dieser Zeit schloß sie einen
neuen, teureren Mietvertrag ab. Die Arge wollte die zwar noch
angemessenen, jetzt aber höheren Mietkosten nicht
übernehmen. Schließlich habe die Klägerin
gewußt, daß sie nur befristet beschäftigt werde
und danach erneut auf Hartz IV angewiesen sein würde. Das
Gericht aber urteilte, daß Hartz-IV-Empfänger vor
Abschluß eines Mietvertrages zwar die Behörde um
Erlaubnis fragen müssen, aber im vorliegenden Fall war die
Klägerin bei Unterzeichnung des Mietvertrages nicht
hilfebedürftig. Daher stehe ihr auch die Übernahme der
Unterkunftskosten zu.
Nach einer weiteren Entscheidung darf die Arge mit Blick auf ein
erst in Jahren zu erwartendes Vermögen nicht einfach das Alg
II nur noch als Darlehen gewähren. Nur Vermögen, das sich
voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten verwerten lasse,
könne auf Alg II mindernd angerechnet werden, urteilte
derselbe Senat. Die Behörde hatte einem
Hartz-IV-Empfänger das Geld nur noch als Darlehen gezahlt.
Begründung: Der Arbeitslose solle in elf Jahren, zu Beginn
seines Rentenalters, von seinem Bruder 55000 Euro erhalten. Dazu
war der Bruder verpflichtet worden, als er von der Mutter drei
Grundstücke erbte. Das Jobcenter meinte, Banken könnten
dem Hilfebedürftigen zumindest 30000 Euro auf die in Aussicht
stehende Summe zahlen. Der Kläger hatte aber keine Bank
gefunden, die ihm dafür Geld geben wollte. Das BSG entschied,
die Verwertung eines bei Hartz IV zu berücksichtigenden
Vermögens müsse wirtschaftlich zumutbar sein und das
Vermögen voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten zur
Verfügung stehen.
Klagen gegen die Anrechnung der inzwischen eingestellten
Abwrackprämie als Einkommen können sich ebenfalls
für Langzeitarbeitslose lohnen. So hat laut BSG die Arge
Cottbus wegen mangelnder Erfolgsaussicht in zwei Fällen ihre
Anträge auf sogenannte Sprungrevisionen zurückgenommen.
Damit sind für den Hartz-IV-Empfänger günstigere
Urteile des Sozialgerichts Cottbus in Kraft. Einem Arbeitslosen war
wegen der 2500 Euro Abwrackprämie das Alg II gekürzt
worden. Das Sozialgericht hatte jedoch am 21. Dezember 2009 diese
Prämie als zweckgebundene Einnahme gewertet, die eben nicht
auf Hartz IV angerechnet werden darf. (dapd/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/151303.rechte-der-empfänger-von-alg-ii-gestärkt.html