14.09.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
In US-Militärhaft
»Hochwertige Gefangene«
Zwei Jahre war der frühere irakische Präsidentenberater
und Abrüstungsunterhändler Amer Al-Saadi von den
US-Besatzungstruppen inhaftiert. Al-Saadi hatte sich am 12. April
2003 den Amerikanern gestellt, nachdem seine Frau ihn auf einer
skurrilen Fahndungsliste, einem Kartenspiel, entdeckt hatte.
Wochenlang blieb Al-Saadi verschwunden, bis er in Camp Cropper am
Flughafen von Bagdad eingeliefert wurde. Zwei Jahre blieb er dort
ohne Anklage und ohne Zugang zu einem Anwalt gefangen. Weder eine
Entschuldigung noch eine Entschädigung gab es nach der
Freilassung.
Bis heute inhaftiert ist der frühere Außenminister des
Irak, Tarik Asis, der sich zwei Wochen nach Al-Saadi, am 24. April
2003, ebenfalls gestellt hatte. Im Juli 2010 übergaben die
US-Truppen ihren »hochwertigen Gefangenen« an die
irakischen »Sicherheitskräfte«, die den
74jährigen nicht freilassen, obwohl er im Januar einen
Schlaganfall erlitten hat. Im Gegenteil, es wird offenbar erwogen,
ihn ein weiteres Mal anzuklagen. Verurteilt wurde Asis zu einer
15jährigen Haftstrafe wegen angeblicher Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Weitere sieben Jahre Haft erhielt er wegen
angeblicher Verfolgung der Kurden im Nordirak. Er hat die
Vorwürfe stets bestritten, die Familie fordert aus
gesundheitlichen Gründen seine Freilassung.
Wenig weiß man über die etwa 100 anderen
»hochwertigen Gefangenen«, ehemalige wissenschaftliche,
politische und militärische Mitarbeiter der gestürzten
Regierung Saddam Husseins, die 2003 ebenfalls in
US-Militärhaft verschwanden. Das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz (IKRK) kritisierte in einem Bericht die Haftbedingungen
als »schweren Verstoß« gegen die Genfer
Konventionen. Ein namentlich nicht genannter Gefangener wurde
während eines Transportes offenbar auf die Motorhaube eines
Fahrzeugs gelegt. Ihm wurden eine »Haube über den Kopf
gestülpt und die Hände auf dem Rücken gefesselt,
dann mußte er sich mit dem Gesicht nach unten legen«.
Drei Monate lang mußte der so Transportierte im Krankenhaus
behandelt werden, wegen schwerer Verbrennungen im Gesicht, auf dem
Bauch, an Händen und Füssen.
(kl)
https://www.jungewelt.de/artikel/150857.in-us-militärhaft.html