18.08.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Yasukuni Schrein des Anstoßes
Immer wieder sorgt der seit dem Jahre 1879 unter dem Namen Yasukuni
(»Friedfertiges Land«) bekannte Shinto-Schrein in
Japans Hauptstadt Tokio für Furore. Und immer dann, wenn
japanische Ministerpräsidenten den Schrein besuchten, was mit
unbekümmerter Regelmäßigkeit geschah, hagelte es
Kritik aus dem benachbarten Ausland, vor allem aus China und Korea.
Die Regierungen in Peking, Seoul und Pjöngjang halten es
für unsensibel, gar geschmacklos, daß hochrangige
japanische Politiker diese Stätte besuchen und den dort
begrabenen Toten ihre Reverenz erweisen.
Yasukuni entstand als Gedenkstätte für alle Japaner, die
im Krieg für Japan gefallen waren und ihr Leben für eine
»friedliche Heimat« opferten. Wer das große
Eingangstor (torii) passiert hat, wird an das Schicksal von
annähernd 2,5 Millionen Japanern erinnert, die während
interner Konflikte starben oder im »Ersten
Chinesisch-Japanischen Krieg«, im »Russisch-Japanischen
Krieg«, im Ersten Weltkrieg, während des
»Mandschurischen Zwischenfalls«, des »Zweiten
Chinesisch-Japanischen Krieges« und des »Krieges im
Pazifik« ihr Leben ließen. Auf Gedenktafeln sind die
Namen der Gefallenen aufgelistet. Unweit der Hauptgebäude des
Schreins wird im Yushukan, einem Museum, an Japans Kriege und all
die Kriegstoten erinnert.
Um eben diesen Yasukuni-Schrein ist seit Ende der 1970er Jahre eine
scharfe politische Kontroverse entbrannt, seitdem dort ebenfalls
vierzehn Hauptkriegsverbrecher der Kategorie A geehrt werden.
Wiederholt haben japanische Ministerpräsidenten den Schrein
besucht und damit das Prinzip der Trennung von Religions- und
Staatsangelegenheiten verletzt. Das hat vor allem scharfe Proteste
in jenen Ländern Ost- und Südostasiens ausgelöst,
die in der Vergangenheit Opfer des japanischen Militarismus
geworden sind. Für sie ist Yasukuni ein Symbol des japanischen
Imperialismus und Ultranationalismus und die Gedenkstätte gilt
ihnen als Beweis dafür, wie unkritisch in Japan die eigene
Geschichte betrachtet wird.
Während in diesem Jahr das gesamte Kabinett von
Ministerpräsident Kan Naoto am Jahrestag der Kapitulation
Yasukuni fernblieb, hinderte das die oppositionelle
Liberaldemokratische Partei (LDP), die Japans Politik seit
Kriegsende die längste Zeit beherrschte, nicht daran, den
Schrein mit etwa 40 hochrangigen Parteimitgliedern unter
Führung von Tanigaki Sadakazu und des ehemaligen Premier Abe
Shinzo demonstrativ zu besuchen. Japanische Medien berichteten
über mittlerweile 80- bis 85jährige Kriegsveteranen, die
sich über den mangelnden Patriotismus der amtierenden
Regierung bitter enttäuscht zeigten. (rw)
https://www.jungewelt.de/artikel/149437.yasukuni-schrein-des-anstoßes.html