03.08.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Angriff auf Fernsehsender
Die Wucht der Detonation, die Ende Juli das Büro des
Nachrichtensenders Al Arabiya in Bagdad in Schutt und Asche legte,
war so stark, daß im Umkreis von 500 Metern sämtliche
Fenster zerbarsten. Anders, als die meisten ausländischen
Medien in der irakischen Hauptstadt hatte Al Arabiya sich
außerhalb der martialisch abgesicherten »Grünen
Zone« in dem beliebten Wohnviertel Harithya
eingemietet.
Hätte Al Arabiya einen normalen Arbeitstag gehabt, wäre
die Opferzahl vermutlich weit höher gewesen, denn die Bombe
explodierte um 9.30 Uhr, Termin der Morgenbesprechung. So starben
drei Wachleute und eine Putzfrau, 15 Personen wurden verletzt. Der
Fahrer des todbringenden Wagens hatte sich mit einem Ausweis am
Kontrollpunkt vor dem Gebäude identifiziert und war
durchgewinkt worden, Metalldetektoren wurden nicht eingesetzt oder
blieben stumm. Ob er von den 128 kg Ammoniumnitrat, das jedem
Düngemittel beigemischt wird, wußte und sich absichtlich
in die Luft sprengte oder ob die Explosion per Fernsteuerung
ausgelöst wurde, ist nicht bekannt. Sofort nach der
Explosion riegelten irakische Sicherheitskräfte das
Gelände ab.
Ende Juni hatte das Innenministerium den Fernsehsender vor
Anschlägen von Al-Qaida gewarnt, weswegen die Arbeit lediglich
mit einem Notdienst abwickelt wurde. Nach der Explosion machte die
Regierung Al-Qaida verantwortlich, die sich tags darauf auf ihrer
Internetseite »Al-Qaida in Mesopotamien« auch zu der
Tat bekannte. Der Anschlag sei eine Antwort auf Berichte des
Senders über den Einfluß von Al Kaida im Irak, zitierte
die New York Times das Al-Qaida-Internetportal; weitere
Anschläge würden folgen, hieß es da: »Wait
for more«.
Al Arabiya forderte die irakische Regierung auf, die Täter zur
Verantwortung zu ziehen, doch es ist unwahrscheinlich, daß
das gelingen wird, zumal es derzeit offiziell gar keine Regierung
gibt. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ)
wurden seit der Invasion 2003 141 Journalisten getötet, die
irakische Organisation »Journalism Freedom Observatory«
gibt die Zahl der getöteten Journalisten und Medienmitarbeiter
für den gleichen Zeitraum mit 249 an, viele Fälle wurden
nie aufgeklärt.Al Arabiya hat seit 2003 im Irak 15 Mitarbeiter
verloren. (kl)
https://www.jungewelt.de/artikel/148586.angriff-auf-fernsehsender.html