31.07.2010 / Aktion / Seite 16
jW-Sommerakademie
Lektion 7: Sozialschmarotzer
Sozialschmarotzer, der (m.). Schlagwort sozialrassistischer
bundesdeutscher Hetzkampagnen gegen Einzelpersonen und Gruppen.
Gegenbegriff: »Leistungsträger«. Die Vokabel S.
war in der DDR unbekannt, in der Bundesrepublik wird sie seit Ende
der 70er Jahre – seit Verfestigung der Massenarbeitslosigkeit
– vor allem vor Wahlen und bei Sozialabbau in den
Herrschaftsmedien verwendet. Der biologistische Begriff setzt eine
Tradition aus Kaiserreich und Faschismus fort.
»Asoziale«, gemint waren Bettler, Landstreicher,
Obdachlose, Fürsorgeempfänger, Suchtkranke oder
»Zigeuner« galten als minderwertig. Die Bezeichnung S.
richtet sich vor allem gegen Menschen, die angeblich unberechtigt
Sozialleistungen beziehen – anfänglich gegen
»Scheinasylanten«, nach Abschaffung des Asylrechts 1993
gegen Sozialhilfeempfänger. Mit Inkrafttreten von Hartz IV
2005 setzte eine massive Hetze gegen Betroffene ein. In einem
Papier des Bundeswirtschaftsministeriums unter Wolfgang Clement
(SPD) war die Rede von »Parasiten«. Medien bezeichneten
wahlweise Langzeitstudenten, Kinderreiche, Alleinerziehende,
chronisch Kranke und Ältere als S.
Kritiker des Begriffs sehen Wohlhabende, die von Steuergeschenken
oder »Rettungspaketen« profitieren, als S., bestimmen
aber nicht die veröffentlichte Meinung. Die FDP konnte mit
hetzerischer Verkehrung der sozialen Realität bei den
Bundestagswahlen 2009 einen Erfolg erringen, indem sie eine
Gesellschaft zeichnete, in der sich
»Leistungsträger« einer Übermacht von
Empfängern eines »anstrengungslosen Einkommens«
gegenübersehen. Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924)
verwies 1916 auf den generell parasitären Charakter des
zeitgenössischen Kapitalismus. (asc)
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