14.07.2010 / Inland / Seite 5
Europäisches Urteil ohne Folgen?
Karlsruhe. Das Urteil des Europäischen
Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) zur nachträglichen
Sicherungsverwahrung zwingt aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts
nicht zur Freilassung betroffener Straftäter. Die Karlsruher
Richter machten in einem am Dienstag veröffentlichten
Beschluß erneut deutlich, daß in jedem Einzelfall eine
Folgenabwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Betroffenen
und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen
ist.
Der Eilantrag eines im Jahr 1990 wegen versuchter Vergewaltigung
und wegen Mordes verurteilten Sexualstraftäters, der seine
sofortige Freilassung gefordert hatte, wurde abgelehnt. Gegen ihn
hatte das Landgericht Baden-Baden im August 2009 die
nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
angeordnet.
Der Mann hatte sich in seinem Eilantrag auf das am 17.Dezember 2009
ergangene und inzwischen rechtskräftige EGMR-Urteil berufen.
Der Gerichtshof in Strasbourg hatte entschieden, daß die
Sicherungsverwahrung gegen einen 1986 verurteilten Straftäter
aus Hessen nicht nachträglich hätte verlängert
werden dürfen, und ihm 50000 Euro Schadenersatz zugesprochen.
Das Verfassungsgericht hatte erst im Mai die sofortige Entlassung
eines seit über zehn Jahren in Sicherungsverwahrung
befindlichen Straftäters aus Rheinland-Pfalz abgelehnt.
(ddp/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/147530.europäisches-urteil-ohne-folgen.html